Traummann auf Raten
„Sonst ist es zu offenkundig.“
„Das finde ich auch. Schließlich ist es eine ernste Sache.“ „Da hast du verdammt Recht.“ Sein schroffer Tonfall ließ sie zusammenzucken.
„Du hast damit angefangen“, verteidigte sie sich.
„Aber du hast das Thema ursprünglich angeschnitten“, konterte er und kehrte zu seinem Platz zurück. „Vielleicht sollten wir es verschieben, bis wir weniger gereizt sind.“
„Du hast erwähnt, dass noch einige Dinge geklärt werden müssten“, erinnerte sie ihn unsicher.
„Es geht hauptsächlich um die Beisetzung.“ Er presste die Lippen zusammen. „Ich bin unter anderem deshalb schon heute zurückgekommen, damit du dich nicht allein um alles kümmern musst.“
„Das ist sehr rücksichtsvoll von dir. Ich habe heute Vormittag eine Liste der notwendigen Erledigungen gemacht. Am besten liest du dir die Aufstellung durch und prüfst, ob ich etwas vergessen habe.“
„Das bringe ich nicht über mich.“
„Gabriel, für mich ist es auch nicht einfach. Lionel war nicht nur mein Schwiegervater, sondern gleichzeitig mein bester Freund. Ungeachtet unserer persönlichen Gefühle sollten wir sein Andenken respektieren und versuchen zusammenzuarbeiten.“
„Weise Worte“, lobte er. „Hast du sie dir ganz allein ausgedacht?“
Verärgert erhob Joanna sich. „So funktioniert es nicht. Vielleicht sollte ich nach Midhampton ziehen.“
„Nein.“ Er stand ebenfalls auf. „Entschuldige. Du hast Recht. Wir müssen unsere privaten Probleme zurückstellen und uns dieses letzte Mal für ihn zusammentun. Das sind wir ihm beide schuldig.“
„Ja.“ Sie neigte den Kopf. „Es war ein langer Tag. Ich gehe jetzt ins Bett.“
„Ich komme auch nach oben, sobald ich nach den Hunden gesehen habe. Haben sie noch immer ihre Plätze in der hinteren Halle?“
Joanna nickte. Sie hatte Müdigkeit vorgeschützt, obwohl sie wusste, dass sie nicht schlafen würde. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Sie brachte das Tablett in die Küche und stieg dann die Treppe hinauf.
Gabriel holte sie auf dem oberen Treppenabsatz ein. „Wo hast du mich einquartiert?“ erkundigte er sich. „Bestimmt nicht in deinem Zimmer.“
„Wohl kaum.“ Sie errötete.
Er blickte sie jedoch nicht an. Stattdessen schaute er den Flur entlang zur Suite des Hausherrn. „Und dort hoffentlich auch nicht.“ Seine Stimme klang beinahe besorgt.
„Nein. Ich dachte, du würdest dich vorerst in deinem alten Raum am wohlsten fühlen.“
Gabriel rührte sich nicht von der Stelle. Den Blick unverwandt auf die geschlossene Tür gerichtet, schien er die Welt um sich her vergessen zu haben. Grenzenloser Schmerz spiegelte sich in seinen goldbraunen Augen wider.
Der Leopard ist verwundet, dachte Joanna plötzlich. Er war nicht mehr der kühle, unerschütterliche Eroberer, sondern ein verletzlicher Mensch, der ihr fremd war. Sie spürte, wie ihr eigener Kummer sich regte. Impulsiv streckte sie die Hand nach seinem Arm aus und öffnete die Lippen, um seinen Namen zu flüstern.
In diesem Moment wurde eine Tür aufgestoßen, und Cynthia trat heraus. Sie trug einen eleganten Morgenrock aus weißem Satin, das Haar fiel ihr offen auf die Schultern. Ohne Makeup und mit geröteten Augen erweckte sie den Eindruck, als hätte sie stundenlang geweint.
Sie sieht wie eine Zwanzigjährige aus, dachte Joanna.
Mit bebenden Lippen schaute Cynthia Gabriel an. „Ich habe deine Stimme gehört“, wisperte sie. „Zum Glück bist du hier. Es war so furchtbar.“ Ihre Stimme brach. „So schrecklich. O Gabriel, Liebling.“
Sie lief zu ihm und schmiegte ihr Gesicht an seine Schulter. Am ganzen Körper zitternd, presste sie sich an ihn. Er schloss die Arme um sie und hielt sie fest.
Eine brillante Vorstellung, wie Joanna insgeheim fand. Allerdings hatte sie keine Lust, mehr davon mitzuerleben.
Sie drehte sich um und ging in ihr Zimmer. Als sie die Tür hinter sich schloss, wünschte sie sich, das innige Bild von Gabriel und Cynthia genauso leicht ausschließen zu können.
Leider war dies nicht möglich.
4. KAPITEL
Es ist alles bald vorbei, wiederholte Joanna im Stillen immer wieder, während sie sich lächelnd von den Trauergästen verabschiedete. Der Satz war ihr ganz persönliches Glaubensbekenntnis, etwas, woran sie sich in den vergangenen albtraumhaften Tagen geklammert hatte.
Es war ihr fast wie eine Wohltat erschienen, sich in der würdevollen Schönheit des
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