Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
vor vier Uhr. Verdammt, das Kind. Wer hätte gedacht, dass die Zeit in einem Garten so schnell vergehen konnte. Mein Tee war inzwischen ja auch kalt. Ich schloss die Tür, nahm das etwas rostig quietschende Fahrrad, wenigstens Luft war aufgepumpt, und suchte den Kindergarten. Natürlich verfuhr ich mich. Mehrmaliges Nachfragen: „Entschuldigung, können Sie mir bitte sagen, wo ich die Kita Tölpelküsschen finde?“ (Einen Seevogelschmatzer als Kitanamen zu wählen ist schon etwas bizarr, dachte ich bei mir.) Allgemeine Antwort: Hä?
Also als Armee-Truppenkommandantin wäre ich aufgeschmissen. Die würden alle hinter den feindlichen Linien landen. Die Rettung, eine Mutter mit zwei Knirpsen am Rockzipfel, die mir lachend den Weg wies, die Kita hieß Trappelfüßchen. Konrad ließ sich willenlos von mir abführen und machte keinerlei Schwierigkeiten. Auf dem Fahrrad sitzend sang er die ganze Zeit. “Hänschen klein“ und „Eine Insel mit zwei Bergen“.
„Fahr sneller!“ Ich strampelte, was das Zeug hielt. „Sneller, du lahme Tute.“
„Ich bin keine lahme Tute, dass das mal klar ist“, antwortete ich brüskiert schnaufend zurück.
„Rasmus ist viel sneller, und du bist doch eine lahme Tute.“
Ich fühlte mich schon wie bei der Tour de France, hoch oben in den Bergen. Schweiß rann über meinen Rücken, und dieser Racker da hinten feixte sich einen. Aber was willst du machen. Irgendwie war auch er mein Arbeitgeber, und mit dem sollte man sich gutstellen für das täglich Brot.
Endlich kamen wir an, natürlich hatte ich einen Umweg gemacht. Wahrscheinlich war der Kindergarten höchstens zwei Kilometer entfernt, und ich dehnte ihn nur auf das Vierfache aus, einzig weil mir der Sinn für Koordinaten fehlte.
„Warum snaufst du so?“
„Weil ich schnell gefahren bin.“
„Das war nicht snell, du bist doch eine lahme Tute.“
Sein Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen. Konnte man einem fast Vierjährigen bereits Durchtriebenheit unterstellen? Nein, er war ja noch drei. Ein kleines, hilfloses Wesen, gar nicht fähig, bösartige Bemerkungen von sich zu geben. Dreijährige kennen den Begriff Sarkasmus noch nicht, oder?
„Du bist lustig. Klingst wie meine Oma, wenn sie Treppen steigt.“ Kleine Spottdrossel. Er rannte zum Haus, während ich das Fahrrad anschloss und über den Sinn der Altklugheit bei Kleinkindern nachsann.
„Muss pipi. Snell.“ Konrad hüpfte vor der Tür herum und hielt sich sein winziges Gemächt.
„Wollen wir da gleich am Baum?“
„Ja?“
„Klar.“
Erleichtert und stolz wie Bolle pullerte Konrad einen großen Bogen an den Baumstamm eines alten Ahornbaums. Davon würde dieser schon nicht gleich eingehen.
„Guck mal, wie hoch is getroffen habe.“
„Sehr hoch Konrad. Bist ein wahrer Meister.“ Ich zog ihm seine Hose hoch.
„Is kann das viel höher als Nathan und noch viel besser als Rasmus.“
Na ja, so sehr ins Detail brauchte er nun nicht zu gehen. Ich wagte mir gar nicht vorzustellen, wie die Erleichterungsaktion bei Herrn Brügge aussehen möge.
Kaum wollte ich die Haustür öffnen, da stürzte mir eine aufgebrachte Furie entgegen.
„Dass das mal klar ist, meine Unterwäsche rührst du nicht an. In meinem Zimmer hast du auch nichts verloren. Und mich betreust du nicht.“
Ich schreckte zurück. Dann rauschte Sommersprosse die Treppe hinauf und ließ mich einfach stehen. Hoppalahopp. Da war wohl jemand ein wenig sauer.
„Die ist in der Pubertät, darf man nicht so ernst nehmen. Ich hab Hunger.“
Nathan, Nat, der Altkluge, trat aus der Küche hervor.
„Darfst dir nichts draus machen. In letzter Zeit ist die ein wenig durchgeknallt. Wenn ich es recht bedenke, eigentlich schon immer. Ich hab Hunger“, Nathan unterstrich seinen reichen Schatz an Erfahrungen mit energischem Kopfnicken.
„Dann kannst du dir was zu essen machen.“
„Ich hab Hunger. Das ist dein Job. Antonia.“
„Ich bin kein Butler.“
„Aber ein Kindermädchen, o.k.? Du sorgst dafür, dass es uns gut geht.“
„Ich habe auch Hunger.“ Konrad schaltete sich ein.
Resigniert ergab ich mich und schmierte beiden ein Brot. Was mit den Hausaufgaben sei, wollte ich noch wissen. „Erledigt“, wurde geantwortet, und darauf beschränkte sich unsere weitere Kommunikation, bis Herr Brügge um 19:11 Uhr endlich eintraf. Zuvor hatte ich bereits eine Gemüsesuppe für das familiäre Abendessen aufgewärmt, die Schuhe der Kinder geputzt, mit Konrad 17 Bilder gemalt, Nathans Hausaufgaben
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