Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
Sie hatte mir schon manchmal über den Zaun hinweg zugewunken. Sonnenanbeter waren beide, wie ich mit gelegentlich schüchternem Blick auf nackte Oberkörper wahrnehmen konnte. Die hatten bereits Anfang Mai mit ersten Nacktbräunungsaktionen im Garten gesessen.
Christoph wollte mit den Kindern Boule spielen und drehte sich, mir schien fast suchend, nach mir um. Einladend winkte er mir zu.
„Na gehen Sie mal und spielen mit. Ist schließlich Ihr Job. Aber holen Sie bitte zuvor noch die Überziehpullover für die Kinder. Wird langsam kühl. Ach ja, sehen Sie mal, von Straaten ist gefallen.“, feixte Brügge, und ich sah, wie der distinguierte Herr sich gerade vom Boden aufraffte. Herr Brügge wandte sich von mir ab.
Fürsorglich konnte er sein, ich meine die Kinder betreffend.
Der Abend zog ins Land, und auch mir wurde ein wenig frisch. Die alte Brügge hatte die Fackeln entzünden lassen, ein anheimelndes Bild.
Ich rannte in die Zimmer, um Pullover und Sweatshirt zu holen, wickelte mich in meine Strickjacke und steckte meine leicht schmerzenden Füße in flacheres Schuhwerk. Wie konnten Frauen nur dem Martyrium der High Heels frönen.
Krank ist das, vollkommen krank.
Es klingelte an der Tür. Mit voll bepackten Händen rannte ich die Treppe hinunter, öffnete und... ließ die Pullover fallen. Ein unheimlicher Schreck war mir ungemein und boshaft in die Glieder gefahren.
Ich hatte sie bisher nur zweimal gesehen, doch würde ich das Gesicht niemals, nie und nimmer vergessen. Meine Haare wurden mit einem Mal aschfahl, mein Antlitz noch ein wenig blasser als es ohnehin und auch mit Parmaschinkeneinfärbung schon war, mein Brigitte-Status verwandelte sich in eine Kopie von Babajagas Schwester, meine Lippen wurden matt, und mein Busen schien auf magische Weise von der Erdanziehungskraft besonders in Empfang genommen zu werden. Da stand sie. Die Wiedergeburt meines Gesichtsverlustes, meine personifizierte Demütigung in ein kleines Schwarzes mit Goldfadenstickerei und sündhaft teuren Pumps gekleidet. Lara!
Was hatte die hier zu suchen?
In Trance bückte ich mich, senkte den Kopf ein wenig und häufte die Pullover so auf meinen Arm, dass mein Gesicht leicht verdeckt wurde.
„Guten Tag, wir wollen zu Herrn Brügge, wir wurden eingeladen. Wir sind doch richtig hier?“, ihre Stimme schwankte irgendwo zwischen dem Zischen einer Schlange und dem Krächzen eines Geiers. Aber gut sah sie aus, dem konnte ich nichts entgegenstellen, selbst wenn ich gewollt hätte. An ihrem gepflegten Aussehen war definitiv nicht zu kratzen. Sie wandte sich nach hinten um.
„Robi, Vater, wir sind richtig. Nun kommt schon.“
Der Befehlston einer Wärterin im Jugendknast, nichts dagegen.
Durch die Zauntür traten zwei kleine Lämmchen, ein beleibter älterer Herr mit Halbglatze und mein lieber Robert in Jeans und Jackett.
Ich vergrub mein Gesicht noch ein wenig mehr in den nach Kinderschweiß und Erde duftenden Pullovern. Vorsichtig lugte ich mit meinen Augen und leicht zerfurchter Stirn zwischen dem Wäscheberg hervor.
„Na Fräulein, schnaufte der Vater von Lara, als er vor mir stand, dann melden Sie uns mal dem Hausherrn. Wunnemann, Hans, mein Name. Ich will ein Bild von Herrn Brügge erwerben, oder auch zwei, mal sehen.“ Laras Papa schaute mit zusammengezogenen Brauen in das Dunkel des Hausflurs.
„Aber Vater, das interessiert doch gar nicht.“ Lara betrachtete ihren Vater tadelnd, und Robert betrachtete mich, recht interessiert und eingehend.
„Toni?“, fragend richtete er das Wort an mich.
„Na klar, Toni, das bist doch du! Antonia, was machst du denn hier?“
Langsam ließ ich den Wäscheberg sinken und guckte mit einem bedrückt zerknautschten Gesicht auf den Menschenauflauf vor mir.
„Antonia, Sie? Tatsächlich!“ Meine Herzensleidbereiterin fixierte mich von oben bis unten.
„Was machen Sie denn hier? Arbeiten Sie etwa hier?“ Lara drängte ihren Robert ein wenig zur Seite und betrachtete mich leicht pikiert. Ich war nun wahrlich das Letzte, was sie hier erwartet hätte und etwas, das sie sicherlich schon längst aus den Windungen ihres Hirns gestrichen hatte. Grausig, wenn sich jenes bereits ausgelöscht geglaubte, wieder, auch noch in Natura, aus dem Gedächtnis schält.
Was wollte mir das Schicksal damit nur sagen? In diesem Land leben 80 Millionen Menschen, und ausgerechnet diese eine davon muss meinen Arbeitgeber kennen. Das ist doch absurd, wie in einem schlechten Film, verdammt noch mal. Die
Weitere Kostenlose Bücher