Traummann mit falschen Absichten? (SANDRINE) (German Edition)
trotzdem wieder fallen. Was hatte sie schon davon, wenn sie sich Roger Falkiner mehr oder weniger an den Hals warf? Er musste schon zu ihr kommen, damit sie sich zumindest einbilden konnte, dass sie ihm mehr bedeutete als nur ein flüchtiges Abenteuer. Und wenn er nur an einem flüchtigen Abenteuer interessiert war, war es ohnehin besser, ihn nicht wiederzusehen.
Energisch versuchte Vicky, Roger aus ihren Gedanken zu vertreiben und stürzte sich in die Arbeit. Es war Freitag, und einige der Gäste reisten heute ab. Zur gleichen Zeit trafen neue Gäste ein und die Unterkünfte mussten rasch gerichtet werden.
Das Wetter war regnerisch. Acht Personen hatten sich bereits zum Dinner angemeldet. Bis zum Nachmittag würden es sicher noch mehr werden. Von zwei bis vier Uhr betreute Vicky die Kinder der Gäste, damit sich deren Eltern für einige Zeit ungestört bewegen konnten. Um halb fünf dann musste sie für eine Stunde die Führung bei einem Ausritt übernehmen und anschließend in der Küche helfen. Vicky fragte sich, wie lange sie diese Hetzerei wohl noch aushalten würde. Zwischen ihren zahlreichen Verpflichtun gen kam sie kaum mehr zu Atem. Vielleicht war es tatsächlich unumgänglich, im nächsten Sommer noch eine Hilfskraft einzustellen. Sie nahm sich vor, später mit Rhys über dieses Problem zu sprechen.
Vicky verließ gerade das Hauptgebäude, um zum See hinunterzugehen und die neuen Gäste in Empfang zu nehmen, die Rhys in wenigen Minuten mit der Beaver bringen würde, als Mrs. Marshall, die schon seit fünf Jahren mit ihrer Familie regeImäßig ins Camp kam, völlig aufgelöst auf sie zugestürzt kam.
„Vicky, schnell!“, keuchte sie. „Robert ist von einem Bären angefallen worden ... Oh, mein Gott, kommen Sie schnell!“
Vicky fuhr der Schreck derart in die Glieder, dass sie sich am Türrahmen festhalten musste.
„Um Himmels Willen!“ Sie rannte in die Rezeption zurück, um ein Gewehr aus dem Gewehrschrank zu holen. „Thea!“, schrie sie dabei, so laut sie konnte. „Ein Notfall! Pack deine Sachen und komm!“
„Kein Gewehr, Vicky“, stammelte Mary Marshall, die ihr nachgekommen war. „Nur Thea mit ihrer Notfallausrüstung. Der Bär ist auf der anderen Seite des Sees ... Wir haben Robert mit dem Motorboot zurückgeholt ... Ist das Flugzeug da? Robert muss sofort ins Hospital!“
Bei ihren letzten Worten rannte sie bereits mit Vicky und Thea zur Bootsanlegestelle hinunter, wo Marys Sohn Tom bei seinem verletzten Vater wartete. Vicky wies die beiden Japaner, die schreckensbleich angerannt kamen an, die Trage aus dem Schuppen mit dem roten Kreuz an der Tür zu holen, und hoffte, dass sie wenigstens diese paar Worte verstanden hatten.
Robert Marshalls helles Hemd war völlig blutgetränkt, wie Vicky zu ihrem Entsetzen feststellte. Noch schockierter war sie, als sie sah, dass es an seinem Rücken nur in Fetzen herunterhing und tiefe Schrammen ihm von den Schultern bis zur Taille gingen, die der Bär ihm mit seinen scharfen Krallen zugefügt hatte. Die Verletzungen sahen wirklich übel aus.
In Windeseile entfernte Thea die Reste des Hemds und tupfte eine desinfizierende Lösung auf die Wunden, bevor sie einen Verband auflegte. „Ja, ja, Robert, man soll nicht mit einem Bären Fangen spielen“, versuchte sie die ängstliche Spannung mit einem kleinen Scherz aufzulockern.
Robert Marshall verzog schmerzlich das Gesicht. „Da haben Sie verdammt recht, Thea. Aber das war genau das, was der Bär wollte – spielen. Das Tier war wohl noch jung, aber schon so groß wie ich. Böse hat er' s vielleicht gar nicht gemeint, nur ein bisschen zu kräftig hingelangt.“
Die Japaner brachten tatsächlich die Trage. Vorsichtig legten sie Robert darauf und schnallten ihn fest. Mary schluchzte leise vor sich hin.
„Denken Sie, dass wir es rechtzeitig bis zum Hospital schaffen werden?“, fragte sie Thea mit einem bangen Blick.
„Keine Sorge, Mary“, tröstete Thea sie, während sie dem Verletzten den Puls maß. „Rhys wird in in paar Minuten hier sein, dann wird er Robert gleich nach Vancouver fliegen. Dort flicken sie ihn schon wieder zusammen.“
„Das ist ja eine schöne Bescherung“, sagte Harvey, der mittlerweile ebenfalls herbeigeeilt war. „Ich werde ihn nach Vancou ver fliegen, dann kann Rhys sich gleich um die neuen Gäste kümmern.“
Vicky zitterten immer noch die Knie. Tränen rollten ihr über die Wangen, und ihr war hundeelend zumute. Warum hatte zu allem Überfluss auch noch so
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