Traummann mit Zuckerkuss
ihr dann für heute.
Das Lädchen hieß einfach nur » 44«, es war mit Klamotten vollgepackt und roch delikat und teuer. Issy versuchte, sich von der Verkäuferin hinter dem Tresen, einer eleganten blonden Dame mit perfektem rotem Lippenstift und einer Fünfzigerjahre-Sonnenbrille, nicht einschüchtern zu lassen.
» Hallo«, sagte sie. » Ich suche nach… na ja, einem Kleid.«
» Da sind Sie bei uns an der richtigen Adresse«, antwortete die Frau, die sie mit fachmännischem Blick begutachtete. » Ein Abendkleid? Oder eher etwas Hübsches, das nicht allzu aufgedonnert wirkt?«
» Ja, so was.« Issy sah sich um. » Aber es sollte nicht zu teuer sein.«
Die Frau zog die perfekt gezupften Augenbrauen hoch. » Nun, Sie wissen ja, Qualität hat ihren Preis.«
Issy spürte, dass sie schon wieder ein wenig rot wurde, aber die Boutiquebesitzerin war bereits auf dem Weg nach hinten. » Warten Sie einen Moment!«, rief sie. Issy rührte sich nicht vom Fleck und sah sich staunend in Aladins Höhle um– an der Wand hingen zauberhafte Cocktailkleidchen aus Chiffon in knalligem Pink oder dunklem Rot. Sie schrien geradezu danach, mit Parfüm getränkt und zum Tanzen ausgeführt zu werden. Dann gab es winzige Täschchen mit glänzenden Schleifchen aus Lackleder, die gerade groß genug für eine Einladung und einen Lippenstift waren, und unglaublich schicke Schuhe. Es war alles so atemberaubend, dass Issy schmerzhaft daran erinnert wurde, wie lange sie sich schon nicht mehr für jemanden schick gemacht hatte.
Mit einem einzigen Kleid in der Hand kehrte die Frau zurück. » Dann wollen wir mal.« Sie schob Issy in die enge Umkleidekabine. » Tragen Sie auch einen vernünftigen BH ? Nein, das hatte ich mir schon gedacht.«
» Sie kommandieren Ihre Kundschaft ja genauso herum wie Caroline«, bemerkte Issy.
» Caroline? Die hat doch keinen Mumm in den Knochen«, schnaubte die Ladeninhaberin. » So, jetzt beugen Sie sich mal vor.«
Das tat Issy. Und als sie sich wieder aufrichtete, ergoss sich der weiche, moosgrüne Jerseystoff über ihren Körper, während das Unterkleid aus Seide sich an ihre Haut schmiegte.
Das Kleid umschmeichelte ihre Kurven und ließ ihre Taille winzig erscheinen. Der weite Rock raschelte und schwang bei jedem Schritt mit. Das Grün brachte ihre Augen zur Geltung und bildete einen zauberhaften Kontrast zu ihren dunklen Haaren, der U-Boot-Ausschnitt offenbarte nur ein kleines bisschen von ihren weißen Schultern, und die ellbogenlangen Handschuhe passten wie angegossen. Es war ein absolutes Traumkleid.
» Oh«, machte Issy, als sie sich im Spiegel sah, und drehte sich dann einmal um die eigene Achse. » Das ist ja zauberhaft.«
» Tja, ich hatte mir schon gedacht, dass es passen würde«, bemerkte die Dame und musterte sie über ihre Brillengläser hinweg. » Sehr schön.«
Issy lächelte. » Was kostet das denn?«
Die Summe, die die Frau nannte, lag beinahe, aber nur fast, über dem, was Issy je für ein Kleid zu bezahlen bereit gewesen wäre. Aber als sie sich noch einmal drehte und wendete, um sich im Spiegel zu betrachten, war ihr klar: Das musste einfach ihr gehören. Einerseits, weil es so fantastisch aussah, keine Frage, andererseits aber auch, weil das Geld dafür nicht von einer Kreditkarte oder einem Monatslohn oder irgendetwas anderem Wahllosen und Unberührbaren stammen würde. Das war ihr Geld, das sie selbst verdient hatte, jeder Penny stammte von ihrer Hände harter Arbeit.
» Ich nehme es«, erklärte Issy.
Dann machte sie sich wieder auf den Weg zum Café, denn sie war dort einfach aufgebrochen, ohne vorher Ordnung zu schaffen. Sie war jedoch nur zu froh über ihren kleinen Ausflug. Am Lokal angekommen schloss sie auf, stellte die Kaffeemaschine noch einmal an und machte sich selbst einen großen schaumigen Latte, gab ordentlich Kakaopulver darüber, nahm sich eins der übriggebliebenen Küchlein– einen für ihre Kunden vielleicht zu fortgeschrittenen, aber trotzdem köstlichen Chili-Schokoladen-Cupcake–, griff dann nach der Abendzeitung und ließ sich auf das Sofa sinken. Sie hockte sich mit dem Rücken zum Fenster hin und hob den Kopf nicht zu hoch, damit keiner dachte, dass sie womöglich noch geöffnet hatte. Sie hatte nichts zu tun und niemanden, mit dem sie etwas hätte unternehmen können, also hatte sie es auch nicht eilig, irgendwo hinzukommen. Sie wollte nur ein paar Minuten verschnaufen. Hier war es so gemütlich, das Café lenkte sie stets ab, und selbst heute
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