Traummann mit Zuckerkuss
hauchte Graeme. Und im Moment, dachte Issy, und lehnte sich wieder zu ihm vor, im Moment musste das eben reichen.
Erst nach ihrer wunderbaren gemeinsamen Nacht kam es Graeme, der durch die Wohnung hetzte und sich fertig machte, in den Sinn, sie danach zu fragen, was sie eigentlich in der Zwischenzeit gemacht hatte.
Zunächst wollte sie nicht so recht mit der Sprache herausrücken, die Realität nur ungern in ihre kleine Welt hineinlassen. Sie hatte keine Lust, sich von ihm auslachen zu lassen. Stattdessen genoss sie es, sich mit lockeren und entspannten Muskeln angenehm schläfrig und faul in seinem großen Bett zu räkeln. Sie war tatsächlich über Nacht geblieben, unglaublich! Es war eine wahre Wonne. Gleich würde sie aufstehen und zur Notting Hill High Street schlendern, sich einen Kaffee holen, vielleicht bei Starbucks die Zeitung lesen… Mit einem Mal fand sie die Vorstellung toll, unter der Woche in der Stadt unterwegs zu sein, es fühlte sich an, als würde sie blaumachen.
Und dann fiel es ihr plötzlich mit Schrecken ein: Sie konnte ja gar nicht blaumachen. Jetzt nicht mehr. Immerhin hatte sie viel zu tun, hunderttausend Sachen zu erledigen. Sie hatte den Mietvertrag unterschrieben, und das brachte nicht nur den Laden mit sich, sondern auch Verantwortung und jede Menge Arbeit und… Voller Panik saß sie plötzlich senkrecht im Bett. Sie hatte einen Termin beim Unternehmensberater, sie musste die Räumlichkeiten unter die Lupe nehmen– ihr Café!–, sich überlegen, welche Arbeitsschritte sofort zu erledigen waren und worum sie sich noch nach der Eröffnung kümmern konnte, einen Ofen kaufen und vielleicht schon jemanden einstellen. Der Champagner gestern Abend und der wunderbare Sex mit dem Mann, der sich da gerade vor dem Spiegel des anliegenden Badezimmers Gel in die Haare schmierte– damit hatte sie ihren Sieg gefeiert. Ab heute war sie selbstständig. Jetzt ging es los.
» Oh«, sagte sie. » Ich muss mich beeilen. Ich muss los.«
Graeme wirkte ein wenig beunruhigt, aber amüsiert.
» Wieso? Dringender Pediküre-Termin?«
» Nein, das nicht.«
Und dann erklärte sie es ihm.
Wenn sie ihm erzählt hätte, dass sie einen Zoo eröffnen wollte, hätte er nicht erstaunter dreinblicken können.
» Du machst was?«
Er band sich gerade die schicke blaue Krawatte um, die Issy ihm gekauft hatte, weil sie gedacht hatte, dass das die passende Farbe für einen eitlen Pfau wie ihn wäre und außerdem seine Augen zur Geltung bringen würde, was ja auch beides zutraf.
» Tja«, antwortete Issy unbekümmert, als wäre dies das Normalste auf der Welt und in keiner Weise überraschend. » Du hast es ja gehört.«
» Du eröffnest ein Kleinunternehmen? Die Rezession liegt gerade mal fünf Minuten hinter uns, und du gründest eine Firma?«
» Gibt es denn einen besseren Zeitpunkt?«, wandte Issy ein. » Die Mieten sind niedrig, und überall bieten sich jetzt Gelegenheiten.«
» Moment, Moment«, unterbrach sie Graeme. Es gefiel Issy, dass sie ihn so verblüfft hatte, aber sie war auch ein wenig eingeschnappt, weil er ihr das ganz offensichtlich nicht zutraute. » Und warum geht es dabei?«
Issy starrte ihn an. » Um Cupcakes natürlich.«
» Cupcakes?«
» Ja, Cupcakes.«
» Dein ganzes Geschäft soll auf Kuchen basieren?«
» Damit wäre ich nicht die Erste.«
» Auf diesem Zuckerzeug?«
» Die Leute mögen das.«
Graeme runzelte die Stirn. » Aber du verstehst doch gar nichts davon, ein Geschäft zu führen.«
» Davon hat am Anfang doch niemand eine Ahnung.«
» Na ja, in der Gastronomie schon. Wer eine Bäckerei aufmacht, hat vorher schon jahrelang in einer gearbeitet und ist in der Branche groß geworden. Sonst bist du verloren. Wenn du backen willst, warum hast du dir dann nicht einen Job in einer Bäckerei gesucht? So könntest du erst einmal rausfinden, ob das überhaupt was für dich ist.«
Issy zog eine Schnute. Genau das hatte ihr eine leise Stimme in ihrem Inneren auch zugeflüstert. Aber sie hatte doch schon das Lokal! Ihren Laden! Sie wusste, dass es richtig war!
» Na ja, ich habe das perfekte Lokal gefunden und…«
» In Stoke Newington?«, schnaubte Graeme. » Da hast du dir aber was andrehen lassen!«
» Okay«, knurrte Issy. » Du kannst sagen, was du willst. Ich hingegen habe jetzt einen Termin beim Unternehmensberater.«
» Na, dann hoffe ich nur, er hat sich die nächsten Stunden frei gehalten«, höhnte Graeme.
Issy starrte ihn an.
» Was denn?«
» Ich kann nicht
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