Traummann mit Zuckerkuss
aber wesentlich weniger Fahrgäste passten. Deshalb mussten zur Stoßzeit viele auf den nächsten Bus warten und schauten auf einen Kaffee vorbei, um die Zeit totzuschlagen. Issy musste Croissants zukaufen. Die zu backen war eine Kunst, und die Cafébesitzerin musste sich langsam eingestehen, dass sie auch nur zwei Hände hatte. Anstatt sich ein neues Ziel zu stecken, machte sie mit François’ Hilfe einen wunderbaren Boulanger ausfindig, der jeden Morgen um Punkt sieben eine köstliche Mischung aus Croissants, Schokobrötchen und Mandelhörnchen lieferte, von denen um neun Uhr kein Krümel mehr übrig war.
Dann kam der Morgenkaffee: Mira, die mit Elise im Schlepptau auftauchte, hatte unter den anderen Müttern ein paar Freundinnen gefunden. Sie kamen oft vorbei und unterhielten sich auf dem grauen Sofa laut auf Rumänisch. Durch die rege Nutzung bekam die Couch endlich die weiche, leicht glänzende Textur, auf die Issy so gehofft hatte. Auch einige der schicken Mummys aus dem Kindergarten schauten herein. Wenn sie Pearl erkannten, lächelte diese kurz und war dann plötzlich (gerechtfertigterweise) schwer damit beschäftigt, Biolimonade und -säfte herbeizuschaffen. Gegen Mittag gab es noch einmal ziemlich viel zu tun, am Nachmittag war die Stimmung hingegen eher meditativ, Büroangestellte und Frauen, die einen Kindergeburtstag organisierten, kamen vorbei, um eine Schachtel mit einem halben oder sogar einem ganzen Duzend Cupcakes mitzunehmen. Issy überlegte, mit einem Aushang darauf hinzuweisen, dass sie auch persönlich zugeschnittene Spezialaufträge zu jedem Anlass übernahmen. Und in der Zwischenzeit ging es ohne Unterlass weiter: Lattes, Tees, Himbeer-Spezials, Blaubeercakes mit Vanilleglasur, Stücke vom dicken Apfelkuchen, aufräumen, putzen, auf Lieferscheinen unterschreiben, Rechnungen, die Post, Spritzer wegwischen, Kinder anlächeln und Stammgästen zuwinken, mit Laufkunden plaudern und dann noch mehr Milch anbrechen, mehr Butter, mehr Eier. Wenn es dann vier Uhr war, hätten Issy und Pearl sich am liebsten auf die riesigen Mehlsäcke im Vorratsraum sinken lassen, in dem Pearl furchtlos mit dem Mopp in den Ecken herumkratzte, um sicherzugehen, dass dieser Teil des Lokals genauso blitzte und blinkte wie der, den die Kunden zu Gesicht bekamen.
Das Cupcake Café hatte Fahrt aufgenommen, es war aus dem Hafen ausgelaufen und segelte schwankend davon. Die Besatzung hatte zwar alle Hände voll zu tun, aber das Schiff nahm Tempo auf. Issy kam es vor wie ein lebendes, atmendes Wesen, das genauso ein Teil von ihr war wie ihre linke Hand. Und es begleitete sie überallhin: Sie saß spätabends noch mit Mrs Prescott über den Büchern, träumte nachts von Buttercreme und Glasur, dachte ständig an Schlüssel und Lieferungen und Zuckerrosen. Freunde riefen an, sie schlug ihre Einladungen jedoch aus; Helena schnaubte und verglich sie mit einer Frischverliebten, die für nichts anderes mehr Augen hatte. Und obwohl sie müde– geradezu erschöpft– war, weil sie sechs Tage in der Woche schuftete, obwohl sie so gerne mal ausgehen und was trinken würde, ohne daran zu denken, wie sehr sie das am nächsten Tag bereuen würde, obwohl sie sich gerne einfach mal vor den Fernseher setzen würde, ohne über Vorräte, Haltbarkeitsdaten und diese blöden Wegwerfhandschuhe nachzugrübeln, schüttelte sie ungläubig den Kopf, wenn jemand das Wort » Urlaub« erwähnte. Tief in ihrem Inneren wusste sie jedoch, dass sie seit Jahren nicht mehr so glücklich gewesen war, und dieses Gefühl wurde mit jedem Tag stärker. Vor allem dann, als sie zunächst die Miete erwirtschaftete, später die Nebenkosten, Pearls Lohn und dann endlich, endlich etwas für sie selbst, durch das, was sie mit ihren eigenen Händen erschaffen hatte, um Menschen glücklich zu machen und ihren Hunger zu stillen.
Um zwei Uhr nachmittags schob sich, erst zögerlich, eine Gruppe Mütter mit riesigen dreirädrigen Buggys herein. Der Laden war so klein, dass Issy sie eigentlich lieber gebeten hätte, die Kinderwagen draußen zu lassen, damit die anderen Kunden sich daran nicht die Knie stießen. Aber ehrlich gesagt hatte sie ein wenig Angst vor diesen Stoke-Newington-Mummys mit den perfekten Strähnchen im Haar und den knallengen Jeans mit Absätzen. Wie unglaublich in Form diese Frauen waren, obwohl sie alle zwei Kinder zur Welt gebracht hatten. Manchmal dachte Issy, dass es doch ein wenig anstrengend sein musste, exakt so wie alle Freundinnen auszusehen. Auf
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