Traummoerder
Drahtzwinge offen.
Sie merkte, dass sie kein Gefühl in den Armen und Beinen hatte – das erkannte ich in ihren Augen. Ich sah, wie sich ihre Augäpfel von links nach rechts drehten, während sie versuchte, sich zu bewegen. Aber sie konnte keinen Muskel rühren. Natürlich hatte sie mittlerweile begriffen, dass ihre Nerven im Kopf nicht betäubt waren – dafür habe ich gesorgt. Ich nahm den Bohrer und schaltete ihn ein. Es war eines dieser altmodischen Geräte, die eher knirschen als winseln. Sie hätten ihr Gesicht sehen sollen, als ich ihn in ihren Mund steckte und die Vorderzähne herausbohrte.
Dermot trank einen Schluck Jack Daniels und zwang sich, weiterzulesen. Wie, um alles in der Welt, sollte er etwas so Fürchterliches in Worte fassen? »Du Bastard«, flüsterte Dermot. Dies war eine durch und durch kranke Geschichte, dennoch nahm sie ihn irgendwie gefangen. Hatte er Raskolnikow verflucht? Hatte er Vlad, der die Köpfe seiner Feinde auf Pfähle gesteckt hatte, beschimpft oder Hannibal Lecter beleidigt, nachdem er von dessen grausamen Taten gelesen hatte? Er musste sich eingestehen, dass ihn das Tagebuch irgendwie gefangen nahm. Es schockierte und entsetzte ihn, das ja, aber er verschlang jedes Wort.
Kapitel 16
Cheesecake, die Katze, fraß geräuschvoll die Thunfischstücke in Garnelensauce; Fischflöckchen flogen an die Glastür, die von der Küche in den Garten führte. Neela machte Eier mit Speck für sich und Dermot.
»Ich kapiere das einfach nicht. Warum hat er dir das Tagebuch gebracht? Wieso hat er es nicht gleich an einen Verlag geschickt? Oder an eine Agentur?«
»Vielleicht hat er das auch gemacht.«
»Ich kann mich mal vorsichtig umhören, wenn du willst. Ohne allzu großes Interesse zu verraten. Ich wette, ich finde etwas heraus.«
»Das könntest du tun?«
»Klar. Warum nicht? Natürlich hat es keinen Sinn, eine Namensuche zu starten. Albert K. Arnold? A.K.A?«
»Ich könnte Mike fragen, ob die Leiche identifiziert werden konnte.«
»Aber dann wirst du ihm beichten müssen, dass du den Polizisten gestern einen falschen Namen genannt hast.«
»Ganz und gar nicht. Ich brauche nur zu behaupten, dass mich der Cop nicht richtig verstanden hat und dass ich gewartet habe, so lange ich konnte, er aber leider nicht mehr auf mich zugekommen ist. Ich kann Mike erzählen, dass ich nur gesehen habe, wie der Typ auf dem Gehsteig aufgekommen ist. Auf keinen Fall werde ich aussagen, dass ich ihm schon vorher begegnet bin – das wäre absolut dämlich.«
Neela dachte darüber nach. Es ergab einen Sinn.
»Übrigens du hast recht, was den Stil des Buches angeht, Neela. Es ist der von schlechten Groschenkrimis, aber die Geschichten lassen einen nicht mehr los. Ich hab mitten in der Nacht laut den Namen des Typen geschrien. Kannst du das glauben?«
»Natürlich kann ich das. Ich habe auch so reagiert. Das Buch saugt einen regelrecht ein – man kann nicht aufhören zu lesen, Wort für Wort. Es ist eine ›Inszenierung‹.«
»O bitte, lass mich mit dem Film-Unsinn in Ruhe.«
»Nein, ehrlich. Das Konzept ist Dynamit. Eine Website mit Namen www.worstnightmares.net . Der Antiheld wählt seine Opfer unter denen aus, die seine Website besuchen. Er analysiert die Albträume, die ihn am meisten reizen, versetzt sich in seine Opfer, dann sucht er sie auf, um sie mit ihren schlimmsten Ängsten zu konfrontieren, und lässt sie leiden – zehnmal schlimmer als in ihren Träumen. Ich glaube kaum, dass ich jemals schon so was gelesen habe.«
»Hey, ich bin noch nicht fertig damit.«
»Hast du noch mal darüber nachgedacht, ob du dich darauf einlassen willst?«
»Drücken wir’s mal so aus: Ich habe festgestellt, dass das Cyber-Konzept etwas ganz Außergewöhnliches ist. Die Kids würden darauf abfahren. Aber dient es meinen Zielen? Da bin ich mir nicht sicher. Ich habe den Booker-Prize gewonnen, weil ich einen intelligenten Roman in geschliffener Sprache verfasst habe. Ich frage mich, wie Esther reagieren würde, wenn ich ihr einen Roman dieses Genres vorlege. Es ist nicht ihr Geschmack, sie würde es verabscheuen, aber das ist nicht der Punkt. Wasserman hingegen wäre von allem begeistert, was ihm Kohle einbringt, und der Stoff hat beste Chancen, zu einem sehr gruseligen Film verarbeitet zu werden. Wie auch immer ich mich entscheide, eines ist sicher – ich werde das gesamte Manuskript durcharbeiten und in meinem Stil umschreiben müssen. Es muss sich so lesen wie ein Buch, das ich geschrieben und
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