Traummoerder
Süß.
»Wie wär’s? Ich nehme dich mit ins Haus und sehe nach, ob wir etwas zu fressen für dich haben. Wenn du alles, was Neela im Kühlschrank hat, aufgefuttert hast, kannst du mit mir einen Ausflug machen oder dein Glück auf den Straßen versuchen. Allerdings solltest du dich vor Cheesecake in Acht nehmen. Das ist unsere Katze. Du musst sie mit Respekt behandeln, sonst macht sie kurzen Prozess mit dir. Sie kann eine ganz schön gemeine Miezekatze sein. Bist du einverstanden?«
Der Hund kläffte einmal, und Dermot wertete das als Zustimmung. Der Tag versprach, gut zu werden – für sie beide.
Zwanzig Minuten später fuhr Dermot über den Harbor Freeway in Richtung Nordwesten. Der Hund – den er »Scarecrow« nach Totos Strohkameraden getauft hatte – saß auf dem Beifahrersitz.
Während Dermot fuhr, spulten sich Teile des Tagebuchs in seinem Kopf ab. Normale Menschen sollen von der Realität extremen Leids erfahren. Lasst sie zusehen, wie unschuldige Kinder verbrennen. Als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, sprang Scarecrow auf und leckte seine Wange ab.
Dermot war eine knappe Stunde auf der Straße. Der Verkehr auf dem Santa Monica Freeway war schwach. Arnolds Tagebuch lag aufgeschlagen neben ihm, und Scarecrow hatte den Kopf aus dem Fenster gestreckt. Er schnappte nach der Luft, seine Ohren flatterten im Fahrtwind.
Dermot bremste ab, nahm das dünne obere Blatt Papier zur Hand und schaute auf die Wegbeschreibung zu den Pfahlopfern. Er fragte sich, ob es tatsächlich eine Cedar Line Road gab – auf der Karte hatte er sie nicht gefunden. Falls es diese Abzweigung nicht gab, waren die Ortsangaben und Wegbeschreibungen nur erfunden worden, um den Leser neugierig zu machen, und der gesamte Roman war reine Fiktion. Dermot hoffte sehr, dass es so war.
Dann fiel sein Blick auf einen Wegweiser zur Cedar Line Road, und sein Herz wurde schwer. Genau in diesem Moment fuhr ein Traktor hinter einem dichten Baumbestand hervor und bog auf die Straße ein. Dermot stieg auf die Bremse, und sein Peugeot kam nur wenige Zentimeter hinter dem Anhänger des Traktors zum Stehen. Der Anhänger war mit Gerätschaften beladen.
Dermot ließ das Fenster herunter und schrie. »Hey! Passen Sie doch auf! Sie hätten uns beide umbringen können.«
Ein alter wettergegerbter Fahrer bedachte Dermot mit einem verächtlichen Blick. Arschloch. Er lachte, fuhr weiter und hielt sich konstant in der Straßenmitte, so dass Dermot nicht überholen konnte.
Dermot wollte auf keinen Fall nachgeben; er hupte und drängte sich an dem Traktor vorbei, nahm dabei ein Stück einer Hecke mit, und die linken Reifen sanken tief in den Boden am Straßenrand.
Sobald er den Traktor hinter sich hatte, winkte er dem alten Griesgram, um ihn zu ärgern. Diesmal zeigte ihm der Farmer den Mittelfinger und schwenkte ihn noch einige Male hin und her-für alle Fälle.
Dermot begann, die Meilen auf seinem Tacho mitzuzählen. Nach fünf Meilen auf dem Feldweg sah er den See und kam in das Gebiet, in dem im Sommer die Picknicker parkten. Wie angegeben, steuerte er die rechte hintere Ecke des Parkplatzes an. Dann schaltete er den Motor ab.
Scarecrow sah ihn an und flehte stumm, Rast zu machen. Dermot streckte die Hand aus und öffnete ihm die Beifahrertür. Der Terrier sprang heraus, rannte zu einem Busch und hob eine Ewigkeit das Bein.
»Wer würde vermuten, dass so viel Pisse in einem so kleinen Hund Platz hat«, murmelte Dermot und schaute sich um. Kein Mensch war zu sehen. Die Luft war kühl. Ein Blick auf den Himmel verriet, dass Regen im Anzug war. Dies war kein geeigneter Tag, ohne Regenmantel im Topanga State Park spazieren zu gehen.
Er zog seinen Kompass zurate, wandte sich in Richtung Osten und zählte seine Schritte, die, wie er hoffte, in etwa so groß waren wie die von Arnold. Scarecrow folgte ihm gehorsam.
Nach ungefähr fünfzig Metern erreichte Dermot eine Barriere aus dichtem Dornengestrüpp.
»Verdammt«, murrte er. Nichts im Leben war einfach. Aber es hatte Sinn, dass die Sträucher Schutz boten – wenn man einen Mord begeht und Leichen vergräbt, möchte man sicherlich nicht vom Parkplatz aus gesehen werden.
Er hielt sich die Jacke vors Gesicht, damit ihn die Dornen nicht kratzten, und zwängte sich durchs Dickicht. Dabei zählte er weiter seine Schritte. Scarecrow schlängelte sich hinter ihm durchs Gestrüpp.
Bei Schritt dreihundert wurde das Dickicht lichter, und er kam besser voran. Bei Schritt siebenhundertneunzig erreichte
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