Traummoerder
Dermot eine Sauerstoffflasche und einen Schlauch – beides war von Wind und Wetter stark angegriffen. Auch eine hübsche Inszenierung. Arnold hatte sich das richtige Equipment beschafft und extra für Dermot hier ausgelegt.
Ganz schwach vernahm er ein Pfeifen im Dämmerlicht. Er suchte das Umfeld aufmerksam mit Blicken ab – da war niemand. Sekunden später kam Scarecrow mit angelegten Ohren auf ihn zugerannt. Das Tier machte einen verschreckten Eindruck und drängte sich an seine Beine.
»Hast du dich doch entschieden, ein paar Abenteuer zu erleben, Scary? Wird aber auch Zeit.«
Dermot schlug das Tagebuch auf.
Nach einiger Zeit langweilte mich das Spiel – in einer Sekunde war Farrell drauf und dran, das Bewusstsein zu verlieren, in der nächsten füllte sich die Tüte mit dem köstlichen, frischen, berauschenden Lebenselixier. Irgendwann sagte ich dem Spinner Adieu und winkte zum Abschied. Zwei Minuten und fünf Sekunden später starb er. Keine schlechte Zeit für einen Asthmatiker. Ich begrub ihn achtzehn Schritte von dem Felsbrocken entfernt auf der anderen Seite des Hügels.
Dermot ging die achtzehn Schritte; Scarecrow lief voraus und scharrte bereits in der losen Erde. Er scheuchte den Hund weg und fing an zu graben. Mittlerweile war es kühler, deshalb war es nicht ganz so anstrengend.
Anfangs sah er das zerfledderte Plastikstück gar nicht. Es war ein Quadrat mit höchstens fünfzehn Zentimetern Seitenlänge. Erst Scarecrows Reaktion auf den Fund gab ihm zu denken. Der Hund schnupperte an der Erde, die den Fetzen bedeckt hatte und wurde stocksteif. Dann fing er an zu heulen.
Dermot kniete sich nieder und zupfte ein weitaus größeres Plastikstück aus der Erde. Es fühlte sich feucht an. Der Gestank war so ekelerregend, dass Dermot würgen musste. Er ließ das Plastik fallen, zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und hielt es sich vor die Nase. Dabei inspizierte er die kaputte Tüte genauer. Sie war sicherlich groß genug, um einen menschlichen Kopf zu bedecken, aber nicht mehr, und die eine Seite war offen. In der Tüte befand sich eine breiige Masse. Es schien fast, als wäre der Schädelknochen herausgefallen und hätte nur das menschliche Gewebe zurückgelassen, das an dem Plastik haftete.
Dermot grub weiter und stieß ziemlich schnell auf etwas Festes, das die Größe eines kleinen Fußballs hatte.
Dermot ging in die Hocke und wischte behutsam die Erde von seinem Fund. Es war nicht nötig, noch weiter zu graben. Dies war ein menschlicher Kopf, der vor Maden nur so wimmelte. Übelkeit machte Dermot zu schaffen, und er richtete sich schwankend auf. In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass sich sein Leben unwiderruflich geändert hatte.
Er schaufelte Farrells Grab ohne Bedenken wieder zu. Er hatte einen endgültigen Entschluss gefasst. Niemand würde jemals von diesem Grab oder von Arnold und seinem Tagebuch erfahren.
»Lass uns von hier verschwinden, Scary. Wir kommen nicht mehr zurück. Nie wieder.«
Der Traumheiler beobachtete, wie Dermots Wagen vorbeifuhr. Die belaubten Äste, die er vor einer Stunde von den Bäumen geschnitten hatte, waren die perfekte Tarnung für seinen Peugeot 207. Er lachte über Nolans Gesichtsausdruck. Verwirrung. Totale Konfusion gepaart mit erbärmlicher Angst. Der Plan funktionierte. Dermot hatte den Rollstuhl, aber keine Leiche gefunden. Und das baugleiche Auto war ihm unheimlich.
Es war lustig, das exakt gleiche Modell zu fahren. Anfangs hatte er kein besonderes Motiv dafür gehabt. Es war bloß noch eine Methode mehr, Nolan in den Wahnsinn zu treiben, während er versuchte, den Geschehnissen auf den Grund zu gehen. Die Menschen nahmen immer an, dass es Gründe für alles geben müsste. Der Traumheiler wusste es besser. Die Menschen lebten und starben ohne ersichtliche Gründe. Der Traumheiler hatte selbst erlebt, dass auch Unschuldige ohne jeden Grund ihr Leben verloren. Er hatte schreckliches Leid gesehen. Also … gab es einen Gott? Ganz bestimmt nicht.
Er hörte das schwache Klopfen aus dem Kofferraum. Wieder eine falsch berechnete Dosis Succinylcholin. Dies war der passende Zeitpunkt, ihr noch etwas zu spritzen.
Er bereitete die Injektion vor, ging zum Heck des Wagens und öffnete den Kofferraum. Wanda Bell bewegte sich – höchstwahrscheinlich eine Reaktion auf den leichten Wind: Sie spürte, dass der Kofferraum offen stand.
Sie war ordentlich gefesselt mit den Händen auf dem Rücken; sogar die Unterarme waren an den Ellbogen
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