Traumpfade
Kidder.
»Ja.«
»Wo?«
»Im Britischen Museum.«
»War Ihnen klar, daß Sie etwas Illegales taten?«
»So etwas Lächerliches habe ich noch nie gehört.«
Kidder verschränkte die Arme und zerdrückte seine leere Bierdose – kla … ank ! Seine Brust hob und senkte sich wie die einer Kropftaube. »Manche sind schon wegen weniger mit dem Speer durchbohrt worden.«
Zu meiner Erleichterung sah ich, daß Arkady über den Rasen auf uns zukam. Er hatte einen Berg Kohlsalat auf seinem Teller und einen Tupfen Mayonnaise am Kinn.
»Ich hab’ gewußt, daß ihr beiden zusammenkommen mußtet«, grinste er. »Zwei, die sich Löcher in den Bauch reden!«
Kidder verzog den Mund zu einem verkniffenen Lächeln. Er war ein attraktives Objekt für Frauen. Ein ernst blickendes dunkelhaariges Mädchen lungerte seit einer Weile um uns herum. Sie konnte es offensichtlich nicht erwarten, mit ihm zu sprechen. Sie nutzte ihre Chance. Ich nutzte meine: davonzukommen und mir etwas zu essen zu holen.
»Sie schulden mir eine Erklärung«, sagte ich zu Arkady. » Wer ist Kidder?«
»Ein reicher Junge aus Sydney.«
»Ich meine, was ist er innerhalb der Landrechtebewegung?«
»Nichts und niemand. Er hat ein Flugzeug, das ist alles. Fliegt in der Gegend herum und nimmt Botschaften entgegen. Deshalb hält er sich für wichtig.«
»Luftikus«, sagte ich.
»Er ist ein netter Kerl«, sagte Arkady. »Das habe ich jedenfalls gehört.«
Ich holte mir noch etwas Salat, und wir gingen zu Marian hinüber. Sie saß auf einer Matte und sprach mit einem Anwalt. Sie hatte sich ein Kleid angezogen, noch verblichener und schäbiger als das, in dem ich sie zuletzt gesehen hatte, mit einem Muster aus japanischen Chrysanthemen. Lumpen standen ihr. Lumpen waren ihr Stil. In anderen Sachen als Lumpen hätte sie wahrscheinlich schlampig ausgesehen.
Sie hielt mir beide Wangen zum Küssen hin und sagte, sie freue sich, daß ich mitkäme.
»Wohin?«
»Nach Middle Bore«, sagte sie. »Sie kommen doch hoffentlich mit?«
»Sie auch?«
»Ich auch.« Sie warf einen Blick zu Arkady hinüber und kniff die Augen zusammen. »Ich bin die rechte Hand des Großherzogs.«
Sie erzählte mir, Aborigine-Frauen hätten ihre eigenen Liederzyklen und daher andere Stätten, die geschützt werden müßten. Bis vor kurzem habe das kaum jemand gewußt: der Grund dafür sei, daß die Frauen mit ihren Geheimnissen so viel vorsichtiger umgingen als die Männer.
»Es ist jedenfalls nett, daß Sie mitkommen«, sagte sie lächelnd. »Es wird uns Spaß machen.«
Sie machte mich mit dem Anwalt bekannt. »Bruce, das ist Hughie.«
»Sehr erfreut!« sagte ich.
Er nahm meinen Gruß mit einer langsamen Verneigung des Kopfes zur Kenntnis.
Er hatte ein blasses, ovales Gesicht und eine abgehackte und pedantische Art, die Silben zu betonen; mit seinen Sommersprossen, seiner Stahlrandbrille und dem mausgrauen Haarbüschel, das an seinem Hinterkopf aufragte, sah er wirklich genau wie der Klassenprimus aus. Wenn das Lampenlicht auf seine Züge fiel, wirkte er zerfurcht und müde.
Er gähnte. »Vielleicht finden wir irgendwo einen Stuhl, mein Lieber? Ich kann keine Minute länger stehen, und ich hasse es, auf dem Boden zu sitzen. Sie etwa nicht?«
Ich fand zwei Stühle, und wir setzten uns. Arkady und Marian waren inzwischen fortgegangen, um die Reisevorbereitungen zu besprechen.
Der Anwalt war den ganzen Tag im Gericht gewesen und hatte einen schwarzen Jugendlichen verteidigt, der unter Mordanklage stand. Er würde auch den ganzen nächsten Tag im Gericht sein. Er war Neuseeländer. Er hatte eine Public School in England besucht und war in London als Advokat zugelassen worden.
Wir sprachen über den Fall Lawson, der in Alice vor Gericht verhandelt worden war. Lawson war ein Fernfahrer, dem die Besitzerin eines Busch-Motels einen Drink verweigert hatte, weil er offensichtlich schon betrunken war. Er war in das grelle Mittagslicht hinausgegangen, hatte seinen Anhänger losgekoppelt und war zwanzig Minuten später mit dem Laster mit fünfunddreißig Meilen pro Stunde in die Bar gefahren und hatte dabei fünf Gäste getötet und zwanzig verletzt.
Nach dem Vorfall war Lawson im Busch verschollen, und als er gefunden wurde, sagte er, er könne sich an nichts erinnern.
»Glauben Sie das?« fragte ich.
»Ob ich das glaube? Natürlich glaube ich das! Mr. Lawson ist ein netter, ehrlicher Mann, und seine Firma hatte ihn ständig auf Achse geschickt, so daß er schrecklich überlastet war.
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