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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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vorbeikam, zu und wünschte ihnen gute Nacht.
    Ich ging wieder zu Arkady und Marian.
    »Was halten Sie von Hughie?« fragte er.
    »Ein komischer Vogel!«
    »Verdammt guter Anwalt«, sagte er. »Bringt das Gericht zum Lachen.«
    »Ich werde jetzt gehen«, sagte ich. »Bleiben Sie sitzen. Ich komme morgen in Ihrem Büro vorbei.«
    »Sie gehen noch nicht«, sagte er. »Ich möchte Sie mit jemandem bekannt machen.«
    »Mit wem?«
    »Dan Flynn.« Er zeigte auf den bärtigen Aborigine.
    » Der Pater Flynn?«
    »Höchstpersönlich«, sagte er. »Kennen Sie die Geschichte?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Woher?«
    »Ich habe sie von einem Iren namens Pater Terence gehört.«
    »Nie von ihm gehört.«
    »Können Sie auch nicht«, sagte ich. »Er ist Eremit. Er hat mir geraten, Flynn zu besuchen.«
    Arkady warf den Kopf in den Nacken und lachte.
    »Alle wollen Pater Dan besuchen«, sagte er. »Bis sie eine Abfuhr bekommen. Wenn er Sie mag, werden Sie eine Menge lernen. Wenn nicht … werden Sie es merken.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich habe gehört, er soll schwierig sein.«

11
    S elten dürfte die katholische Kirche Australiens bei ihren missionarischen Bemühungen einem so schwierigen Fall begegnet sein wie dem von Pater Flynn.
    Er war ein Findelkind, von einer unbekannten Mutter vor dem Geschäft eines Iren in Fitzroy Crossing ausgesetzt. Im Alter von sechs Jahren wurde er zur Benediktiner-Mission in Cygnet Bay geschickt, wo er sich weigerte, mit anderen schwarzen Kindern zu spielen, Meßdiener wurde und die Gewohnheit hatte, in irischem Akzent sanft und ehrfürchtig Fragen zu Dogmen zu stellen. Eines Tages sagte er die Namen aller Päpste von Petrus bis zu Pius XII. wie am Schnürchen her. Die Patres sahen darin einen Beweis für sein Verlangen nach Christus. Sie lehrten ihn Latein und ermunterten ihn, Priester zu werden. Er wurde von dem ältesten Bewohner der Mission, Pater Herzog, in Obhut genommen, einem scheinbar harmlosen Kauz, der als Ethnograph ausgebildet worden war und ihm die Grundlagen der vergleichenden Religionswissenschaften näherbrachte.
    Flynn wurde 1969 zum Priester geweiht. Er ging nach Rom. Zusammen mit den anderen Seminaristen wanderte er durch die Albaner Berge. Er hatte eine Audienz beim Heiligen Vater, die ungefähr eine Minute und fünfzehn Sekunden dauerte. Nach seiner Rückkehr nach Australien beschloß der Orden, daß er als erster Aborigine eine eigene Mission übernehmen sollte.
    Als Standort wählten sie Roe River auf dem Kimberley-Plateau. Und damit er sich für die Aufgabe rüstete, schickte man Flynn zu zwei Alteingesessenen, Pater Subiros und Pater Villaverde, nach Boongaree, einem weiteren Vorpo sten der Benediktiner.
    Pater Subiros – ich sollte ihm später in einem Kloster begegnen, wo er im Ruhestand lebte – war ein gutmütiger Mann: ein kleiner, dicker, belesener Katalane. Pater Villaverde war ein ledriger Mann aus Trujillo in Estremadura. Sie waren seit fünfzig Jahren zusammen und hatten Überschwemmungen, Hungersnöte, Seuchen, Aufstände, einen japanischen Bombenangriff und viele andere Attakken des Teufels erlebt.
    Boongaree war einen einstündigen Fußmarsch von der Küste entfernt. Roe River lag dagegen einhundertfünfzig Meilen landeinwärts und war in der Regenzeit oft drei Monate oder länger von der Welt abgeschnitten. Beides waren keine Missionen im herkömmlichen Sinne, sondern Rinderfarmen, die der Orden 1946 spottbillig erworben hatte und die als Zufluchtsstätten für Stämme gedacht waren, denen die weißen Viehzüchter das Land weggenommen hatten. Sie hatten sich als eine ausgesprochen lohnende Investition erwiesen.
    Weil er aus dem Geburtsort der Pizarros stammte, fühlte sich Pater Villaverde verpflichtet, die Rolle eines Konquistadoren zu spielen. Er erklärte den Versuch, die Heiden mit Taten der Liebe zu gewinnen, für sinnlos, da sie nur die Sprache der Gewalt verstünden. Er verbot ihnen das Jagen und sogar den Anbau von Gemüse. Ihre einzige Aussicht auf wirtschaftliches Überleben bestand darin, eine Vorliebe für Pferde zu entwickeln.
    Er nahm kleine Jungen ihren Müttern weg und setzte sie auf einen bockenden Sattel. Nichts machte ihm mehr Vergnügen, als an der Spitze seiner Truppe junger Draufgänger durch den Busch zu stürmen. Jeden Samstagnachmittag leitete er eine Sportveranstaltung mit Sprinten, Ringen, Speerwerfen und Bumerangwerfen – und an jedem Wettbewerb nahm er selbst teil. Von Natur aus ein Athlet – obwohl bereits über siebzig –, freute er

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