Traumpfade
Frauenabteilung des Lagers. Dann kam sie zurückgeschlendert, ein Schattenriß vor dem Sonnenlicht, ihr ganzer Körper glitzerte vor Nässe, das nasse Kleid klebte an ihren Brüsten und Hüften, und ihr Haar hing offen in goldenen Schlangen herab. Es wäre nicht übertrieben gewesen, zu sagen, daß sie wie eine Madonna von Piero aussah. Die leichte Unbeholfenheit ihrer Bewegungen machte sie nur noch anziehender.
Eine Gruppe junger Mütter bildete einen Kreis um sie. Sie nahm die Babys in die Arme, wischte ihnen den Rotz von der Nase und den Schmutz vom Hintern, tätschelte sie, schwang sie durch die Luft und übergab sie wieder ihren Müttern.
Was war es, fragte ich mich, was diese australischen Frauen an sich hatten? Warum waren sie so stark und zufrieden, während so viele Männer derart ausgehöhlt waren? Ich versuchte noch einmal, Marian anzusprechen, aber wieder wies sie mich mit ihrem ausdruckslosen Lächeln ab.
»Was ist los mit Marian?« fragte ich Arkady, als wir das Geschirr einpackten. »Ich glaube, ich habe etwas falsch gemacht.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »So ist sie immer, wenn sie mit den Frauen zusammen ist.«
Wenn die Frauen sie mit einem Fremden plaudern sähen, würden sie glauben, sie wäre ein Klatschmaul, und ihr nichts erzählen.
»Ja«, sagte ich. »Das wäre eine Erklärung.«
»Kommt, Leute«, rief er den Männern zu, die um das Feuer standen. »Es geht los.«
21
D er Landcruiser rumpelte und schwankte über eine Sandpiste, in die sich zwei Furchen eingegraben hatten; das Gestrüpp streifte die Unterseite des Fahrgestells. Alan saß mit Timmy vorn, das Gewehr zwischen den Knien aufgestellt. Marian mit den Frauen fuhr dicht dahinter. Wir durchquerten einen versandeten Wasserlauf und mußten auf Vierradantrieb übergehen. Ein schwarzes Pferd bäumte sich wiehernd auf und galoppierte davon.
Das Land vor uns war offenes, bewaldetes Gelände. Die Bäume warfen dunkle Schattenstreifen über das Gras, und die Geistereukalyptusbäume schienen in dieser orangeroten Abendstunde über dem Boden zu schweben wie Ballons, die Anker geworfen hatten.
Alan hob die Hand, damit Arkady anhielt, stieß den Gewehrlauf durch das offene Fenster und feuerte in einen Busch. Ein weibliches Känguruh und ihr Junges brachen aus ihrem Lager hervor und sprangen in großen, unbeholfenen Sätzen davon – weiße Schenkel vor dem Grau des Gestrüpps.
Alan schoß wieder, dann ein drittes Mal. Dann sprangen er und der Mann in Blau aus dem Wagen und rannten hinter ihnen her.
»Giant Red«, sagte Arkady. »Sie kommen nach Sonnenuntergang zum Trinken hervor.«
»Hat er sie getroffen?«
»Glaube nicht«, sagte er. »Nein. Sehen Sie, sie kommen zurück.«
Alans Hut tauchte als erstes über den Grasspitzen auf. Das Hemd des Mannes in Blau war an der Schulter zerrissen, und er blutete an einer Stelle, wo ihn ein Dorn geritzt hatte.
»Pech gehabt, alter Mann«, sagte Arkady zu Alan.
Alan spannte erneut das Gewehr und starrte aus dem Fenster.
Die Sonne berührte die Baumkronen, als wir zu einer Windpumpe und ein paar verlassenen Viehgehegen kamen. Früher war hier eine Siedlung gewesen. Man sah Haufen verrotteter grauer Balken und die Überreste vom Haus eines Viehzüchters. Die Windpumpe ließ einen stetigen Wasserstrahl in zwei verzinkte, runde Zisternen fließen.
Ein Schwarm von Galahs hockte auf dem Rand der Zisternen. Es waren mehrere hundert – Kakadus mit rosa Kämmen, die aufflogen, als wir näher kamen, und über unseren Köpfen kreisten: die Unterseiten ihrer Flügel hatten die Farbe wilder Rosen.
Alle von der Gruppe stellten sich um einen Trinktrog, spülten sich den Staub vom Gesicht und füllten ihre Wasserkanister.
Ich ging Marian absichtlich aus dem Weg, aber sie trat von hinten an mich heran und kniff mich in den Hintern.
»Ich sehe, Sie sind dabei, die Spielregeln zu lernen«, sagte sie grinsend.
»Verrücktes Weib!«
Nach Osten hin war das Land eine flache, baumlose Öde ohne jedes schützende Gebüsch. Alan zeigte immer wieder mit dem Zeigefinger auf einen einsamen Höcker am Horizont. Es war fast dunkel, als wir einen kleinen, felsigen Berg erreichten, aus dessen Gestein die weißen Federn des blühenden Spinifex und der schwarze Flaum des blattlosen Mullabusches hervorbrachen.
Der Berg, sagte Arkady, sei die Ruhestätte des Eidechsen-Ahnen.
Die Gruppe teilte sich in zwei Lager auf, jedes in Hörweite des andern. Die Männer ließen sich mit ihren Bündeln in einem
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