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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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der die Babys »zurückgingen«, lautete Akwerkepentye , was »weit reisende Kinder« bedeutet.
    Als Alan seine Geschichte beendet hatte, sagte Arkady mit sanfter Stimme: »Mach dir keine Sorgen, alter Mann. Es wird alles gut werden. Keiner wird die Babys anrühren.«
    Alan schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Bist du jetzt glücklich?« fragte Arkady.
    Nein, er war nicht glücklich. Nichts, was mit dieser verruchten Eisenbahn zu tun hatte, würde ihn je glücklich machen: aber wenigstens würden die Babys in Sicherheit sein.
    Wir fuhren weiter.
    »Australien«, sagte Arkady langsam, »ist das Land verlorener Kinder.«
    Nach einer weiteren Stunde erreichten wir die nördliche Grenze der Middle-Bore-Ranch. Wir hatten jetzt nur noch einen Ersatzreifen für den Landcruiser, und statt das Risiko einzugehen, denselben Weg wieder zurückzufahren, beschlossen wir, einen Umweg zu machen. Es gab eine alte Piste, die nach Osten und dann nach Süden verlief und hinter Alans Siedlung herauskam. Im letzten Abschnitt trafen wir auf die Leute von der Eisenbahn.
    Sie rodeten das Land an der geplanten Strecke. Ihre Bulldozer hatten eine Schneise durch das Mulgagestrüpp geschlagen, und ein etwa hundert Meter breiter Streifen umgegrabener Erde erstreckte sich jetzt bis in weite Ferne.
    Die alten Männer blickten unglücklich auf die Berge umgestürzter Bäume.
    Wir hielten an, um mit einem schwarzbärtigen Titanen zu sprechen. Er war über zwei Meter groß und hätte aus Bronze sein können. Nackt bis zur Taille, mit einem Strohhut und einem Stoppelbart, schlug er Markierpfosten mit einem Hammer in die Erde. In ein oder zwei Stunden würde er auf Urlaub nach Adelaide gehen. »O Mann«, sagte er, »bin ich froh, wenn ich von hier wegkomme!«
    Die Straße war verschwunden. Unsere Fahrzeuge krochen und schwankten durch den losen roten Sand. Dreimal mußten wir aussteigen und schieben. Arkady war völlig erledigt. Ich schlug vor, eine Pause zu machen. Wir fuhren seitwärts in den kargen Schatten einiger Bäume. Überall waren mit Vogeldreck bekleckste Ameisenhügel. Er packte etwas zu essen und zu trinken aus und befestigte die Zeltplane als Sonnensegel.
    Wir hatten erwartet, daß die alten Männer wie üblich hungrig seien. Aber sie saßen alle dichtgedrängt beieinander, brüteten vor sich hin und weigerten sich, zu essen und zu sprechen: nach ihren Gesichtern zu urteilen, litten sie Schmerzen.
    Marian und die Frauen hatten unter einem anderen Baum geparkt, und auch sie waren still und trübsinnig.
    Ein gelber Bulldozer fuhr in einer Staubwolke vorbei.
    Arkady legte sich hin, zog sich ein Handtuch über den Kopf und begann zu schnarchen. Ich benutzte meinen Lederrucksack als Kopfkissen, lehnte mich an einen Baumstamm und blätterte in Ovids Metamorphosen .
    Die Geschichte von Lykaons Verwandlung in einen Wolf versetzte mich zurück in einen stürmischen Frühlingstag in Arkadien, als ich in dem Kalksteingipfel vom Berg Lykaon ein Abbild des zusammengekauerten Tier-Königs gesehen hatte. Ich las von Hyazinth und Adonis, von Deukalion und der Flut und wie die »lebenden Dinge« aus dem warmen Nilschlamm erschaffen worden waren. Und nach allem, was ich inzwischen von den Songlines wußte, kam mir der Gedanke, daß die ganze klassische Mythologie die Überreste einer gigantischen »Lied-Karte« darstellen könnte: daß all das Kommen und Gehen von Göttern und Göttinnen, die Höhlen und heiligen Quellen, die Sphinxe und Chimären und all die Männer und Frauen, die zu Nachtigallen oder Raben, Echos oder Narzissen, Steinen oder Sternen geworden waren, daß all das mit den Begriffen einer totemistischen Geographie interpretiert werden konnte.
    Ich mußte selber eingeschlummert sein, denn als ich wach wurde, war mein Gesicht mit Fliegen bedeckt, und Arkady rief: »Kommen Sie. Es geht weiter.«
    Wir kamen eine Stunde vor Sonnenuntergang in Middle Bore an. Der Landcruiser war kaum stehengeblieben, als Alan und der Mann in Blau ihre Türen öffneten und grußlos davongingen. Big Tom murmelte etwas von der »bösen« Eisenbahn.
    Arkady sah bedrückt aus. »Zum Teufel!« sagte er. »Wozu das alles?«
    Er gab sich die Schuld daran, daß sie die Bulldozer gesehen hatten.
    »Das sollten Sie nicht«, sagte ich.
    »Aber ich tue es trotzdem.«
    »Einmal mußten sie sie ja sehen.«
    »Ohne mich wäre mir lieber gewesen.«
    Wir erfrischten uns unter einem Wasserschlauch, und ich belebte unsere Feuerstelle vom Vortag. Marian gesellte sich zu uns, sie

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