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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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erzählte sie uns, war für das Wochenende von Sydney hergeflogen, und deshalb hatte Muldoon Dienst. Sie goß uns den Kaffee ein und sagte wieder, daß sie sich langweile.
    Wir wollten gerade gehen, als Muldoon hereinkam – ein athletischer, rotgesichtiger Mann, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet: schwarzer Hut, schwarze Stiefel und Jeans und ein schwarzes Hemd, das bis zum Nabel offenstand. Er glaubte, wir kämen in geschäftlichen Angelegenheiten, und schüttelte uns die Hand. Sobald er den Brief sah, wurde er bleich und preßte die Zähne zusammen.
    »Machen Sie, daß Sie rauskommen«, sagte er.
    Wir gingen.
    »Unfreundlich«, sagte ich.
    »Pastorale Ethik«, sagte Arkady. »Auf der ganzen Welt die gleiche.«
    Eine halbe Stunde später kamen wir an einen Viehzaun, der das Ende von Lombardy Downs bezeichnete. Wir waren um Haaresbreite einem Wolkenbruch entgangen und beobachteten, wie die Regenmassen sich schräg seitwärts auf eine Bergkette zubewegten. Dann fuhren wir wieder auf die Straße von Alice nach Popanji.
    Am Straßenrand standen verlassene Autos herum, meistens auf dem Kopf, inmitten von Glasscherbenhaufen. Wir hielten bei einem verrosteten blauen Ford, neben dem eine schwarze Frau hockte. Die Motorhaube war aufgeklappt, und ein kleiner nackter Junge hielt auf dem Dach Wache.
    »Was ist los?« Arkady lehnte sich aus dem Fenster.
    »Zündkerzen«, sagte die Frau. »Losgegangen, um Zündkerzen zu holen.«
    »Wer?«
    »Er.«
    »Wohin?«
    »Nach Alice.«
    »Wie lange ist er weg?«
    »Drei Tage.«
    »Fehlt euch nichts?«
    »Nein«, sagte die Frau schniefend.
    »Habt ihr Wasser und sonst alles?«
    »Ja.«
    »Wollt ihr ein Sandwich?«
    »Ja.«
    Wir gaben der Frau und dem Jungen drei Sandwiches. Sie ergriffen sie hastig und schlangen sie gierig hinunter.
    »Bist du sicher, daß euch nichts fehlt?« wiederholte Arkady hartnäckig.
    »Ja«, nickte die Frau.
    »Wir können euch zurück nach Popanji mitnehmen.«
    Sie schüttelte verdrossen den Kopf und schickte uns mit einer Handbewegung fort.
    Gegen Mittag überquerten wir einen Fluß, in dessen Bett rote Flußeukalyptusbäume wuchsen. Es war ein guter Platz für ein Picknick. Wir bahnten uns einen Weg über Steine, die vom Wasser abgeschliffen waren, und durch Lachen stagnierenden gelben Wassers, auf dessen Oberfläche Blätter schwammen. Das Land nach Westen war grau und kahl, und Wolkenschatten zogen darüber hinweg. Es gab kein Vieh, keine Zäune, keine Windpumpe: dieses Land war als Weideland zu unfruchtbar. Wir hatten die Kuhfladen hinter uns gelassen: es gab keine Fliegen mehr.
    Als wir auf einen der Gummibäume zugingen, flog ein Schwarm schwarzer Kakadus auf; sie kreischten wie rostige Scharniere und ließen sich auf einem abgestorbenen Baum weiter weg nieder. Ich holte mein Fernglas hervor und sah das scharlachrot funkelnde Gefieder unter ihren Flügeln aufblitzen.
    Wir breiteten das Picknick im Schatten aus. Die Sand wiches waren ungenießbar, so daß wir sie den Krähen zuwarfen. Aber wir hatten Zwieback und Käse, Oliven und eine Dose Ölsardinen und fünf kalte Dosen Bier für uns beide.
    Wir sprachen über Politik, Bücher und russische Bücher. Arkady sagte, wie seltsam es sei, sich in einem Land voll angelsächsischer Vorurteile als Russe zu fühlen. Verbrachte man einen Abend in einem mit »Intellektuellen« aus Sydney gefüllten Raum, konnte man sicher sein, daß sie am Ende alle irgendein obskures Ereignis aus der Zeit der ersten Strafkolonie analysierten.
    Er blickte in die unendliche Weite des Landes.
    »Schade, daß wir nicht als erste hier angekommen sind«, sagte er.
    »Wir Russen?«
    »Nicht nur Russen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Slawen, Ungarn, sogar Deutsche. Jedes Volk, das es mit weiten Horizonten aufnehmen konnte. Zuviel von diesem Land ist an Inselbewohner gegangen. Sie haben es nie begriffen. Sie haben Angst vor der Weite.
    Wir«, fügte er hinzu, »hätten stolz darauf sein können. Hätten es um seiner selbst willen geliebt. Ich glaube nicht, daß wir es so leicht ausverkauft hätten.«
    »Ja«, sagte ich. »Warum werden die unermeßlichen Ressourcen in diesem Land von den Australiern weiterhin an Ausländer verkauft?«
    »Sie würden schlichtweg alles verkaufen«, sagte er achselzuckend.
    Dann wechselte er das Thema und fragte mich, ob ich auf meinen Reisen je mit einem Volk von Jägern zusammengekommen sei.
    »Einmal«, sagte ich. »In Mauretanien.«
    »Wo ist das?«
    »In der westlichen Sahara. Sie waren

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