Traumpfade
geistige Arbeit«, »Strapaze, besonders schmerzvoller oder grausamer Art«, »Anstrengung«, »Mühsal«, »Leiden«. Eine »Reise«.
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Kains Stadt, mit Menschenblut errichtet, nicht mit dem Blut von Ochsen oder Ziegen.
William Blake, The Ghost of Abel
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»Allein und inmitten der Völker«, Meister des Überfallens, gierig nach Gewinn, doch angewidert von Besitz, getrieben von der Vorstellung aller Reisenden, die sich nach einem fe sten Wohnsitz sehnen – kein Volk hat so stark wie die Juden die moralische Fragwürdigkeit des seßhaften Lebens empfunden. Ihr Gott ist ein Spiegelbild ihrer Ratlosigkeit. Ihr Buch – das Alte und das Neue Testament – kann zumindest in einer Hinsicht als ein monumentaler Dialog zwischen Ihm und Seinem Volk über Recht und Unrecht, im Lande zu leben, gelesen werden.
Sollte es ein Land für Felder und Häuser sein? Ein Land, wo Getreide und Wein wuchsen? Mit Städten, die sie nicht errichtet hatten, und Weinbergen, die sie nicht anlegten? Oder sollte es ein Land der schwarzen Zelte und Ziegenpfade sein? Ein Nomadenland, wo Milch und wilder Honig flossen? Ein Königreich, in dem das Volk »an einer Stätte wohne und nicht mehr in der Irre gehe« (2. Buch Samuel 7,10)? Oder war es, wie Heine vermutete, »ein tragbares Königreich«, das nur in den Herzen der Menschen existieren konnte?
Jahwe ist ursprünglich ein Gott des Weges. Sein Heiligtum ist die »Arche«, sein Haus ein Zelt, sein Altar ein Haufen unbehauener Steine. Und wenn er seinen Kindern auch gut bewässertes Land verspricht – Blau und Grün sind die Lieblingsfarben des Beduinen –, wünscht er ihnen insgeheim doch die Wüste.
Er führt sie aus Ägypten, fort von den Fleischtöpfen und der Peitsche des Aufsehers, eine dreitägige Reise in die rauhe, reine Luft des Sinai. Dort schenkt er ihnen ihr Hohes Fest, das Passahfest: ein Festessen mit gebratenem Lamm und bitteren Kräutern, Brot, das nicht im Ofen, sondern auf einem heißen Stein gebacken wird. Und er befiehlt ihnen, »eilig« zu essen, mit Schuhen an den Füßen und Stäben in den Händen, um sie ein für allemal daran zu erinnern, daß ihre Stärke in der Bewegung liegt.
Er schenkt ihnen den »Rundtanz«, den hag : einen Tanz, der die Sprünge von Ziegen bei ihrer Frühjahrsmigration nachahmt, »als ob man mit einer Pfeife in die Berge des Herrn gehe«. Er erscheint im brennenden Dornbusch und in der Feuersäule. Er ist alles, was Ägypten nicht ist. Und doch wird er die zweifelhafte Ehre eines Tempels gutheißen – und es bedauern: »Sie haben ihre Greuelbilder gesetzt in das Haus, das nach meinem Namen genannt ist, um es unrein zu machen.« (Jeremia 7,30)
Die Gettos in Osteuropa waren jedes ein kleines Stück Wüste, »wo nichts Grünes wuchs«. Die christlichen Herren verboten den Juden, Land oder Häuser zu besitzen, ihr eigenes Gemüse anzubauen oder, außer Wucher, irgendwelchen Handel zu betreiben. Und während sie Reisig für Brennholz sammeln durften, war es ihnen doch nicht erlaubt, Bretter zu sägen, denn es hätte zum Bau eines Hauses führen können.
Die Christen, die ihnen diese Beschränkungen auferlegten, taten es in dem Glauben, sie bestraften die Juden für das Verbrechen, Christus getötet zu haben – so wie Jahwe Kain bestraft hatte. Orthodoxe Juden glaubten, daß sie, indem sie diese Beschränkungen hinnahmen, die Reise durch den Sinai, bei der das Volk Gnade in den Augen seines Herrn gefunden hatte, noch einmal durchlebten.
Die Propheten Jesaja, Jeremia, Amos und Hosea waren nomadische Erweckungsprediger, die das Unheil der dekadenten Zivilisation beklagten. Indem das Volk Wurzeln in die Erde senkte, »Haus an Haus und Feld an Feld reihte«, indem es den Tempel in eine Skulpturengalerie verwandelte, hatte es sich von seinem Gott abgewandt.
Wie lang, o Herr, wie lang …? »Bis die Städte verwüstet sind …« Die Propheten sahen einem Tag entgegen, an dem das Reich Gottes wiederhergestellt werden würde und die Juden zur genügsamen Askese des Nomadenlebens zurückkehrten. In der Vision Jesajas wird ihnen ein Retter versprochen, und sein Name würde Immanuel lauten und er würde ein Hirte sein.
Als Nebukadnezar, König von Babylon, die Juden in den Mauern Jerusalems eingeschlossen hatte, erinnerte Jeremia sie an die Rechabiter, den einzigen Stamm, der den Verlokkungen des seßhaften Lebens widerstanden hatte:
Wir trinken keinen Wein; denn unser Vater Jonadab, der Sohn Rechabs, hat uns geboten: Ihr und eure Nachkommen
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