Traumpfade
das Ringen unseres Herrn in der Wildnis auf sich nehmen könnten.
Sie wandern in den Wüsten, als wären sie selbst wilde Tiere.Wie Vögel fliegen sie durch die Berge. Sie sammeln Futter wie Tiere. Ihr täglicher Rundgang ist unveränder lich, immer vorauszusehen, denn sie ernähren sich von Wurzeln, dem natürlichen Produkt der Erde.
Aus Spiritual Meadow von St. John Moscus, einer Beschreibung von Eremiten, die als »Browsers« bekannt wurden.
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Jede Mythologie erinnert an die Unschuld des Urzustands: Adam im Paradies, die friedlichen Hyperboreer, die Uttarakurus oder »die Menschen von vollkommener Tugend« der Taoisten. Pessimisten interpretieren die Geschichte des Goldenen Zeitalters oft als einen Hang, den Übeln der Gegenwart den Rücken zu kehren und der Glückseligkeit der Jugend nachzutrauern. Aber nichts in Hesiods Texten geht über die Grenzen der Wahrscheinlichkeit hinaus.
Die echten oder halbechten Stämme, die sich an den Randzonen antiker Geographien befinden – Atavantes, Fenni, Parrossiten oder die tanzenden Spermatophagen –, haben ihre modernen Entsprechungen im Buschmann, im Schoschonen, im Eskimo und im Aborigine.
Ein Merkmal der Menschen des Goldenen Zeitalters: sie werden immer als Nomaden erinnert.
An der Küste Mauretaniens, unweit der Stelle, wo die Méduse (die von Géricaults Floß der Medusa ) Schiffbruch erlitt, sah ich die baufälligen Hütten der Imraguen: einer Kaste von Fischern, die Seebarben mit Wadennetzen fangen und die voll Heiterkeit und Anmut denselben Pariastatus genießen wie die Nemadi.
Ähnliche Fischerhütten müssen am Ufer vom See Genezareth gestanden haben: »Folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen.«
Eine Alternative zur Vision vom Goldenen Zeitalter ist die der »Antiprimitivisten«: sie glauben, daß der Mensch, indem er Jäger wurde, der Jäger und Mörder seiner eigenen Art wurde.
Dies ist eine höchst brauchbare Doktrin, wenn man a) andere ermorden will, wenn man b) »drakonische« Maßnahmen ergreifen will, um zu verhindern, daß ihre mörderischen Instinkte überhandnehmen.
Wie auch immer, der Wilde muß als schändlich angesehen werden.
In seinen Meditationen über die Jagd vertritt Ortega y Gasset den Standpunkt, daß Jagen (anders als Gewalt) nie reziprok sei: der Jäger jagt, und der Gejagte versucht zu entkommen. Ein Leopard, der ein Tier reißt, ist ebensowenig gewalttätig oder böse, wie eine Antilope dem Gras böse ist, das sie frißt. Die meisten Berichte von Jägern heben hervor, daß der Akt des Tötens ein Augenblick des Mitleids und der Verehrung ist, der Dankbarkeit gegenüber dem Tier, das einwilligt, zu sterben.
Ein »Bushie« im Pub in Glen Armond wandte sich mir zu und fragte: »Wollen Sie wissen, wie die Schwarzen jagen?«
»Erzählen Sie.«
»Instinkt.«
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I n eines meiner ersten Notizbücher übertrug ich gewis senhaft Sätze aus dem Journal, das Sir George Grey in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geschrieben hatte. Grey war möglicherweise der erste weiße Forscher, der verstand, daß die Aborigines trotz gelegentlicher Unannehmlichkeiten »gut lebten«.
Die beste Stelle im Journal ist die Beschreibung eines Schwarzen, der alle seine physischen und geistigen Fähigkeiten darauf konzentriert, um sich an ein Känguruh heranzupirschen und es mit einem Speer zu durchbohren.
Der letzte Absatz schließt mit einer Koda:
… seine anmutigen Bewegungen, das vorsichtige An nähern, die Ruhe und Gelassenheit, die ihn überkom men, wenn seine Beute gewarnt ist, all das belebt die Phanta sie unfreiwillig und überwältigt einen dermaßen, daß man sich selbst zuflüstert: »Wie schön! Wie wunder schön!«
Ich redete mir ein, daß etwas von dieser Schönheit überlebt haben müsse, bis zum heutigen Tag. Ich bat Rolf, einen Mann ausfindig zu machen, der mich auf die Jagd mitnahm.
Ich hatte ein paar Wochen lang auf meinem Hintern gesessen und begann den Abscheu vor Wörtern zu empfinden, der aufkommt, wenn man sich keine Bewegung mehr verschafft.
»Der beste Mann, mit dem Sie gehen können«, sagte Rolf, »ist der alte Alex Tjangapati. Er spricht etwas Englisch.«
Alex war ein älterer Mann. Sein Haar war mit einem gelben Band hochgebunden, und er trug einen pflaumenblauen Damensamtmantel mit wattierten Schultern. Ich glaube nicht, daß er darunter irgend etwas anhatte. Er wanderte jeden Tag in den Busch, und abends lungerte er mit seinen Jagdspeeren in der Nähe des Ladens herum
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