Traumpfade
und starrte die anderen von der Cullen-Sippe an, als wären sie die echte canaille.
Als Rolf ihn bat, mich mitzunehmen, machte Alex ein langes, zerknirschtes Gesicht und ging davon.
»Nun, das war’s wohl«, sagte ich.
»Machen Sie sich nichts draus«, sagte er. »Wir werden jemand anders finden.«
Am nächsten Tag kam Stumpy Jones gegen Mittag mit seinem Lastwagen nach Cullen hereingefahren. Er war der erste, der es durch die Überschwemmungen geschafft hatte. Trotzdem hatte er einen Tag und eine Nacht diesseits von Popanji im Schlamm festgesessen, und die Jungs von der Bergbaugesellschaft Magellan mußten ihn herausziehen.
Ein Mädchen war bei ihm. Sie war die Freundin von Don, dem Werkstattleiter. »Und sie ist ein gutes Mädchen«, sagte Stumpy augenzwinkernd.
Sie hatte kurzgeschnittenes Haar und trug ein schmutziges weißes Kleid. Don schien sehr erfreut, sie zu sehen, aber sie warf ihm einen kühlen, abschätzenden Blick zu und fuhr fort, Stumpy anzulächeln.
»Stimmt«, sagte sie. »Ich jammere nicht, wenn ich stekkenbleibe.«
Don und ich halfen, die Kisten vom Lastwagen abzuladen. Wir waren fast fertig, als Rolf herauskam.
»Wollen Sie auf die Jagd gehen?« rief er.
»Ja«, sagte ich.
»Wollen Sie eine Tankfüllung Benzin bezahlen?«
»Wenn es das ist, was sie wollen.«
»Ich hab’s abgemacht.«
»Mit wem?«
»Donkey-donk«, sagte er. »Guter Kerl!«
»Wann?«
»Sofort«, sagte er. »Sie gehen besser und ziehen sich Ihre Stiefel an. Und einen Hut!«
Ich ging zum Wohnwagen hinüber, als ein klappriger Ford-Sedan quietschend und ächzend hinter mir angefahren kam. Am Steuer saß ein bärtiger Aborigine mit einem dicken Bauch.
»Gehst du auf die Jagd?« sagte er grinsend.
»Mit dir?«
»Mann!« sagte Donkey-donk.
Wir fuhren zurück, um Benzin zu tanken, aber kaum hatte ich bezahlt, erkannte ich, daß meine Rolle bei dieser Expedition nicht die eines »Kunden«, sondern die eines »Sklaven« war.
Donkey-donk ließ mich zusätzlich Öl, Patronen, Schokoladenriegel und Zigaretten bezahlen. Er wollte, daß ich ihm einen neuen Reifen kaufte. Er ließ mich seine Zigarette halten, während er am Motor herumbastelte.
Wir waren zum Aufbruch bereit, als ein junger Mann namens Walker angeschlendert kam. Walker war ein großer Reisender. Er hatte Australien kreuz und quer auf der Suche nach einer Frau, die seinen Ansprüchen genügte, bereist. Er hatte auch einige Zeit im YMCA in Amsterdam verbracht. Er war sehr schön. Er hatte ein göttergleiches Profil und sehr dunkle Haut. Sein Haar und sein Bart hatten die Farbe von gesponnenem Gold.
»Willst du mit auf die Jagd kommen?« rief Donkey-donk ihm zu.
»Klar«, sagte Walker und setzte sich auf den Rücksitz.
Wir fuhren los, um den Mann zu suchen, der das Gewehr hatte. Auch er war ein unglaublich anmutiger junger Mann, mit einem kraftlosen Lächeln und schulterlangem Haar. Er saß vor einem Gehege aus Gestrüpp. Er hatte mit rotem Kugelschreiber seinen Namen, »Nero«, überall auf seine Jeans gekritzelt.
Neros Frau, stellte sich heraus, war die Riesin, die ich beim Pokerspiel beobachtet hatte. Sie war gut einen Kopf größer als er und ungefähr viermal so breit. Sie saß hinter ihrem Gehege am Lagerfeuer und nagte an einem verkohlten Känguruhschenkel. Als Nero ins Auto stieg, kam sein kleiner Sohn hinter ihm hergerannt und hechtete durch das offene Fenster. Die Mutter kam nach, ihre Känguruhkeule schwenkend. Sie zog den Jungen an den Haaren heraus und spuckte ihm ins Gesicht.
Wir waren seit ein paar Minuten unterwegs, als Nero sich an die anderen wandte.
»Habt ihr Streichhölzer?« fragte er.
Donkey-donk und Walker schüttelten den Kopf. Wir kehrten um, um Streichhölzer zu holen.
»Rauch«, sagte Nero grinsend. »Falls wir steckenbleiben.«
Wir fuhren zwischen Mount Cullen und Mount Liebler südwärts und dann talwärts in Richtung des Gun Barrel Highway. Nach dem Regen brachen gelbe Blüten aus dem Gebüsch hervor. Der Weg begann und endete in einer Luftspiegelung, und die felsige Bergkette schien über der Ebene zu schweben.
Ich zeigte auf einen rötlichen Höcker auf der linken Seite.
»Was ist das?« fragte ich.
»Alter Mann«, gab Walker strahlend preis.
»Und von wo kommt der Alte Mann?«
»Kommt von weit her. Vielleicht von der Aranda-Sippe. Vielleicht aus Sydney.«
»Und wo geht er hin?«
»Port Hedland«, sagte er in bestimmtem Ton.
Port Hedland ist ein Eisenerz-Hafen an der westaustralischen Küste, etwa achthundert
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