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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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erscheint oder einfach ungefährlich aussieht, in Wirklichkeit auch ungefährlich ist.

    Unsere schwierigste Herausforderung war die, die Worte und Überzeugung der weißen europäischen Welt zu riechen und zu schmecken und dann höflich auszuspucken. Es gibt nur noch wenige freie eingeborene Völker. Jedes Jahr nimmt ihre Zahl ab, da mehr und mehr Stämme von ihrem Land vertrieben werden und sich dem Leben in der weißen Welt unterwerfen oder sterben müssen. Ich meine nicht wirklich die weiße Welt.
    Ich muss mich selbst berichtigen, weil die Hautfarbe keine Bedeutung hat. Es sind das Denken und die Lebensart, die Veränderung der Werte der ursprünglichen Gesetze, die die Menschen verändert haben. Solche >Veränderten< gibt es in allen Hautfarben.
    Unsere Ältesten sind einverstanden, meine Schwester. Wir haben deinen Hilfeschrei gehört, der viele von uns im Wachen oder im Schlafen erreicht hat. Es stimmt, dein Leben ist durch Suchen geprägt, und du hast die Gabe, wichtige Antworten zu finden und vielen verirrten Menschen zu helfen, ihren Weg zu finden. Aber es wird nicht leicht für dich sein. Anders als ein kleines Kind, das unbedingt lernen will und einen leeren Raum in sich hat, der mit Wissen gefüllt werden muss, bist du schon voller Informationen. Du wirst für dich selbst entscheiden müssen, was du ablegst, was du durch anderes ersetzt und was du akzeptierst. Ich weiß das, weil es mir vor langer Zeit auch so ergangen ist.« Beatrice nahm eine kleine Handvoll Samenkörner entgegen.
    Langsam kaute sie jedes einzelne, genoss das nussähnliche Aroma und fragte sich nach deren Nährwert. Sie gingen weiter, und Beatrice dachte sehr ernsthaft über das nach, was die Frau ihr gerade gesagt hatte.
    »Ich bin mir nicht sicher, dass ich das kann«, sagte Beatrice endlich mit einer Stimme, die kaum lauter als ein Flüstern war.
    »Ich bringe dich zurück.«
    »Nein, ich möchte nicht zurück. Ich meine nur, ich fühle mich wirklich unwohl ohne Kleider. Der Gedanke, andere Menschen zu treffen, vor allem Männer, ist...« Sie verstummte und beendete den Satz nicht.

    »Das ist schon in Ordnung«, sagte ihre Begleiterin und schaute sie verständnisvoll an. »Wir werden eine angemessene Bedeckung herstellen. Wir werden die Dinge, die wir dazu brauchen, unterwegs finden. Und ich werde dir zeigen, wie man es macht. Die >Wahren Menschen< tragen gelegentlich etwas, das sie bedeckt. Das ist gut. Ich denke, du wirst dich trotzdem ohne Rock und Bluse wohler fühlen. Wir können etwas viel Bequemeres und weniger Hinderliches machen. Ich verstehe, dass du es anstößig findest, deinen Körper zu zeigen, aber das ist in Wirklichkeit eine Einstellung, die du erlernt hast.« Mit einem breiten Grinsen fügte sie hinzu: »Ich glaube, ein Opossumfell wäre wunderbar. Wenn wir diesen Gedanken in den Dunst hinausschicken, wird das Opossum, das zu diesem Zweck geboren wurde, uns vielleicht dadurch ehren, dass es unseren Weg kreuzt.«
    Gegen Ende des Nachmittags kamen sie an einen kleinen Bach und knieten beide dort nieder, um zu trinken. Genau in diesem Augenblick glitt rechts von ihnen eine braungestreifte Schlange mit glänzendschwarzem Kopf über einen Felsblock. Bevor Beatrice den Mund öffnen und etwas sagen konnte, hatte die Frau die Schlange schon direkt hinter dem Kopf gepackt. Sie nahm eine Steinklinge aus ihrem Beutel und tötete sie. Dann hängte sie die Schlange an ihren Gürtel. Ohne ein Wort gingen sie weiter.
    Als die Sonne am Horizont versank, hielten sie für ein paar Minuten inne. Die Frau sprach darüber, wie prachtvoll jeder Sonnenuntergang sei. Die Dämmerung dauerte nur eine kurze Zeit, als die Sonne erst einmal versunken war; es wurde schnell dunkel. Wie Diamanten strahlten die Sterne am Himmel.
    Nachdem sie ein kurzes Stück weitergegangen waren, sagte die Frau, sie würden nun anhalten, um zu essen und sich auszuruhen. Zusammen sammelten sie trockene Äste und Gräser und etwas Kaninchenkot. Die Schlange wurde gehäutet, in Stücke geschnitten und auf einen Stein in der Mitte der Feuerstelle gelegt. Mit zwei Stückchen Feuerstein aus ihrem Beutel erzeugte Beatrices Gefährtin einen Funken, der ein Feuer entzündete.
    »Wir dürfen diesem Fleisch nicht alles Wasser entziehen«, sagte sie, »aber es muss erhitzt werden, sonst bilden sich kleine weiße Würmer in unseren Mägen.« Sie griff in die Mitte der Feuerstelle, nahm ein gebratenes Stück Schlangenfleisch heraus, reichte es Beatrice, nahm sich selbst dann

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