Traumreisende
Reinheit wahrer, bedingungsloser Akzeptanz erschreckt sie. Was am meisten gefürchtet wird, das manifestiert sich, etwa in einer tödlichen Schlange. Wenn der Betreffende kein Selbstwertgefühl hat und meint, er sei ein Niemand, seine Existenz bedeutete niemandem etwas, dann wird er nichts sehen.«
Die Illusion liegt im Auge des Betrachters. Der Schutz kommt daher, dass du dich niemals dafür entscheidest zu glauben, du brauchtest welchen.«
Die kleine Gruppe ging in Richtung Nordküste zum Meer. Dies war die beste Gegend für zwanzig nicht gesetzestreue Aborigines, um sich hier für ein paar Tage zu treffen, ohne entdeckt zu werden. Der letzte Stammesläufer in die städtische Welt hatte von den neuesten Regelungen berichtet, die von allen Aborigines unter Strafandrohung befolgt werden mussten. Die Gruppe hatte nicht die Absicht, sich an irgendwelche der offiziellen Regierungsgesetze zu halten. Sie unterstand einem höheren Gerichtshof und höheren Gesetzen.
Die Gegend, in der sie sich treffen sollten, war kein offenes Gelände, sondern eine sumpfige Landschaft, wo hohe Bäume und dichtes Buschwerk wuchsen. Erdboden, über den man gehen konnte, gab es kaum. Statt dessen mussten sie, wenn sie sich fortbewegten, über dicke Baumwurzeln klettern, die sich jeweils drei bis fünf Meter um riesige Baumstämme herum erstreckten. Das Wasser des Sumpfes war mindestens taillentief, und an den Hauptzuflüssen, wo Salzwasserkrokodile und Wasserschlangen hausten, noch tiefer. Es war eine sichere Zuflucht vor den zweibeinigen Menschenjägern. Von Flugzeugen aus konnten sie nicht gesehen werden, und Motorboote, die in den Kanälen Patrouille fuhren, waren schon von weitem zu hören. Auch gab es in der Gegend reichlich Nahrung. Sie würden Fische, Frösche, Eier, Schildkröten, Schlangen, Blutegel und zahlreiche Pflanzen zur Verfügung haben.
Alle zwanzig »Wahren Menschen« würden dort sein. Minendie freute sich darauf, die anderen dreizehn kennen zulernen. Sie wanderten in drei getrennten Gruppen, zwei mit je vier Mitgliedern und eine mit fünf. Diese drei Gemeinschaften und ihre eigene trafen sich viermal im Jahr.
Als sie dem Sumpf näher kamen, wurde die Vegetation dichter, bis sie eine Art Dschungel betraten. Dort war es ständig schattig und daher kühl und feucht. Moos in verschiedenen Grüntönen schien überall zu wachsen. Der Boden unter Minendies Füßen fühlte sich klebrig und feucht an. Es war kein Ort, an dem sie lange hätte bleiben wollen. Schon vermisste sie den hellen Sonnenschein. Sie hörten die Stimmen, ehe sie die Menschen sahen.
Stimmen, auch wenn sie nur flüsterten, hallten in den höhlenartigen Räumen unter den Bäumen wider. Die Gruppe verwendete keine Telepathie. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es verwirrend war, wenn so viele Menschen gleichzeitig miteinander kommunizierten.
Minendie, die den Prozess der Namenswahl erst kürzlich hinter sich gebracht hatte, interessierte sich sehr dafür, wie die anderen dreizehn sich genannt hatten und weshalb. Sie beschloss, jeden einzelnen danach zu fragen, wenn er oder sie bekannt gemacht würde. So konnte sie jeden Namen mit einem Gesicht verbinden und sich besser daran erinnern. Schließlich, sagte sie im Scherz zu sich selbst, bin ich daran gewöhnt, mir Dinge aufzuschreiben.
Ihre Gruppe näherte sich zwei Frauen, die mit einem Lächeln die Neuankömmlinge umarmten. Minendie stellte sich vor. Eine der Frauen, die Schmucknarben auf den Schultern hatte, sagte, sie heiße Zeithüterin. Als Minendie sie zu erklären bat, weshalb sie den Namen gewählt habe, sagte sie: »Nun, er stellt eine Verantwortung dar. Seit mehreren hundert Jahren haben wir immer jemanden, der dafür verantwortlich ist, jedes Jahr an alle bedeutungsvollen Ereignisse zu erinnern, etwa Geburten, Todesfälle, den ersten Anblick eines Flugzeugs und so weiter.
Zusammen mit einer anderen Person, die die Geschehnisse mittels Malerei aufzeichnet, arbeite ich an einem Wandgemälde über unsere Geschichte. Dieses Wandgemälde befindet sich in einer Höhle. Die Verantwortung für das Hüten der Zeit ist etwas, das von einer Person zur nächsten weitergegeben wird.
Seit ich den Namen trage, ist er für mich noch auf eine andere Weise bedeutsam geworden. Es gibt drei Arten, über die Zeit zu sprechen. Da ist die Vergangenheit, das Gestern, das hinter uns liegt. Die Zukunft, das Morgen, erstreckt sich vor uns wie eine gerade Linie. Dann gibt es da noch den Kreis der Zeit. Wir kommen aus
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