Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
Vom Netzwerk:
hellblau. Abdullah rutschte zum Fenster hinter dem Fahrersitz und half Pari auf seinen Schoß. Er merkte, dass die umstehenden Leute das Auto neidisch anstarrten. Pari drehte sich zu ihm um, und sie grinsten sich an.
    Unterwegs betrachteten sie die vorbeiflutende Stadt. Onkel Nabi sagte, er werde einen Umweg fahren, damit sie mehr von Kabul sehen könnten. Er deutete auf einen Hügelkamm namens Tepe Maranjan. Das kuppelförmige Mausoleum darauf, erzählte er, biete einen Blick auf die ganze Stadt, und darin liege Nadir Schah begraben, der Vater von König Sahir Schah. Er zeigte ihnen die Festung Bala Hissar oben auf dem Koh-e-Shirdawaza-Berg, die von den Briten während des zweiten Krieges gegen die Afghanen genutzt worden war.
    »Und das da, Onkel Nabi?« Abdullah klopfte gegen die Scheibe und zeigte auf ein großes, rechteckiges, gelbes Gebäude.
    »Das ist Silo. Die neue Brotfabrik.« Nabi, der den Wagen mit einer Hand lenkte, drehte sich um und zwinkerte ihnen zu. »Ein Geschenk unserer russischen Freunde.«
    Eine Fabrik, in der Brot hergestellt wurde, dachte Abdullah verwundert, und stellte sich vor, wie Parwana in Shadbagh die Teigfladen gegen die Seiten ihres aus Lehm bestehenden Tandoors klatschte.
    Schließlich bog Onkel Nabi in eine saubere, breite Straße ein, gesäumt von Zypressen, die man in regelmäßigen Abständen gepflanzt hatte. Die Häuser waren nicht nur vornehm, sondern auch unglaublich groß, wie Abdullah fand, und weiß, gelb und hellblau angestrichen. Die meisten waren dreistöckig und umgeben von hohen Mauern mit Doppeltoren aus Metall. Abdullah sah, dass mehrere Autos wie das von Onkel Nabi in dieser Straße standen.
    Onkel Nabi fuhr auf eine Einfahrt, die von kunstvoll gestutzten Büschen gesäumt wurde. Am Ende der Einfahrt ragte ein unfassbar großes, dreistöckiges Haus mit weißen Mauern auf.
    »Du hast ja ein riesiges Haus«, flüsterte Pari, und ihre Augen wurden vor Verwunderung ganz groß und rund.
    Onkel Nabi warf laut lachend den Kopf in den Nacken. »Na, das wäre was. Nein, das ist das Haus meiner Arbeitgeber. Ihr werdet sie gleich kennenlernen. Zeigt euch von eurer besten Seite.«
    * * *
    Onkel Nabi führte Abdullah, Pari und ihren Vater in das Haus, das sich innen als noch beeindruckender erwies. Abdullah schätzte, dass mindestens die Hälfte aller Häuser Shadbaghs hineingepasst hätte. Er hatte das Gefühl, den Palast eines Dämons betreten zu haben. Der rückwärtige Garten war wunderschön: Blumenspaliere in allen nur denkbaren Farben, sauber beschnittene, kniehohe Büsche und überall Obstbäume. Abdullah erkannte Kirsche, Apfel, Aprikose und Granatapfel. Ein überdachter Hof – Veranda genannt, wie Onkel Nabi sagte –, der von einem niedrigen, mit Wein berankten Zaun umgeben war, verband Haus und Garten. Auf dem Weg zu dem Raum, in dem sie von Herrn und Frau Wahdati erwartet wurden, erspähte Abdullah eines jener Bäder, von denen Onkel Nabi erzählt hatte, mit einer Kloschüssel aus Porzellan und einem glänzenden Waschbecken mit bronzefarbenen Armaturen. Abdullah, der jede Woche stundenlang Eimer mit Wasser vom Dorfbrunnen nach Hause schleppen musste, staunte nicht schlecht, als er sah, dass manche Menschen im Handumdrehen an ihr Wasser kamen.
    Nun saßen Abdullah, Pari und ihr Vater auf einem wuchtigen Sofa mit goldfarbenen Troddeln. Die weichen Kissen hinter ihrem Rücken waren mit winzigen, achteckigen Spiegeln verziert. Dem Sofa gegenüber hing ein Gemälde, das einen großen Teil der Wand einnahm. Es zeigte einen ergrauten, über seine Werkbank gebeugten Steinmetz, der einen Stein mit einem Schlägel bearbeitete. Weinrote Plisseevorhänge säumten die Fenster, die sich zu einem Balkon mit schmiedeeisernem Geländer öffneten. Der Raum war blitzblank, nirgendwo lag auch nur ein Körnchen Staub.
    Abdullah war sich in seinem Leben noch nie so schmutzig vorgekommen.
    Onkel Nabis Chef, Herr Wahdati, saß mit vor der Brust verschränkten Armen in einem Ledersessel. Er betrachtete sie nicht unfreundlich, wirkte aber distanziert, ja unergründlich. Als er sich zur Begrüßung erhob, merkte Abdullah, dass er größer als sein Vater war. Er hatte schmale Schultern, dünne Lippen und eine hohe, glänzende Stirn. Er trug einen weißen, taillierten Anzug und ein grünes Hemd mit offenem Kragen, dazu ovale Manschettenknöpfe aus Lapislazuli. Er sprach nicht mehr als ein paar Worte.
    Pari starrte den Teller mit Keksen an, der vor ihnen auf dem Glastisch stand. Abdullah

Weitere Kostenlose Bücher