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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Keramikvasen und einem runden Spiegel mit Walnussholzrahmen wieder, der sich genau dort befand, wo Sie das alte, selbstaufgenommene Strandfoto von Ihrer Freundin aus Kindertagen aufgehängt haben. Auf dem schimmernden Marmorfußboden des Wohnzimmers lag ein dunkelroter, turkmenischer Teppich. Dieser Teppich ist jetzt ebenso verschwunden wie die Ledersofas, der eigens für den Raum angefertigte Couchtisch, das Schachspiel aus Lapislazuli und der hohe Kabinettschrank aus Mahagoni. Prachtvolle Möbelstücke, die fast alle geraubt wurden, und was noch übrig ist, hat, wie ich fürchte, im Laufe der Jahre stark gelitten.
    Als ich die Küche mit den Steinplatten zum ersten Mal betrat, staunte ich nicht schlecht, denn mir kam es so vor, als könnte man darin ganz Shadbagh verköstigen. Mir stand ein Gasherd mit sechs Flammen zur Verfügung, ein Toaster, ein Kühlschrank, unzählige Töpfe, Pfannen, Messer und andere Gerätschaften. Alle vier Badezimmer hatten Waschbecken aus Porzellan und waren mit kunstvoll verzierten Marmorkacheln gefliest. Und die quadratischen Löcher in der Waschtischplatte oben in Ihrem Bad, Mr Markos? Sie waren einst mit Lapislazuli ausgekleidet.
    Dann der Garten hinter dem Haus. Wenn Sie oben in Ihrem Büro sitzen, Mr Markos, sollten Sie einmal versuchen, sich eine Vorstellung von seinem ursprünglichen Anblick zu machen. Man betrat ihn über eine halbmondförmige Veranda, deren Geländer mit Wein berankt war. Der Rasen war damals üppig und grün und beidseitig von einem Obstbaumspalier gesäumt. Überall gab es Beete mit Rosen und Jasmin, Tulpen und Geranien. Man konnte sich unter einen der Kirschbäume legen, Mr Markos, die Augen schließen und dem im Wind raschelnden Laub lauschen. Auf der ganzen, weiten Welt gab es keinen schöneren Ort, davon bin ich überzeugt.
    Ich wohnte in einem Schuppen, hinten im Garten. Er hatte ein Fenster und blitzblanke, weißgestrichene Wände, und er war groß genug für einen jungen, alleinstehenden Mann mit bescheidenen Bedürfnissen. Ich hatte ein Bett, einen Tisch und einen Stuhl und genug Platz, um fünfmal am Tag meinen Gebetsteppich ausrollen zu können. Mehr brauchte ich nicht, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
    Es gehörte zu meinen Aufgaben, für Herrn Wahdati das Essen zuzubereiten. Ich hatte Kochen gelernt, indem ich zuerst meiner Mutter und später einem alten, usbekischen Koch, dem ich in Kabul ein Jahr lang behilflich gewesen war, bei der Arbeit zugeschaut habe. Außerdem war ich, was mir große Freude machte, der Chauffeur von Herrn Wahdati. Er besaß einen Chevrolet, ein Modell aus den 40er Jahren, blau lackiert, mit Klappverdeck, blauen Vinylsitzen und Chromfelgen, ein herrliches Auto, das alle Blicke auf sich zog. Ich durfte es fahren, weil ich mich als geschickt und vorsichtig erwiesen hatte. Außerdem war Herr Wahdati einer jener Männer, die ungern selbst am Steuer sitzen.
    Bitte halten Sie mich nicht für einen Angeber, wenn ich behaupte, ein guter Diener gewesen zu sein, Mr Markos. Ich hatte mich durch genaues Beobachten mit allen Vorlieben und Abneigungen Herrn Wahdatis vertraut gemacht, mit seinen Eigenarten und Launen. Ich kannte seine Rituale und Angewohnheiten. So unternahm er zum Beispiel jeden Morgen nach dem Frühstück einen Spaziergang, und da er nicht allein sein wollte, erwartete er von mir, dass ich ihn begleitete. Ich tat das gern, obwohl ich keinen Sinn darin sah, denn er sprach während dieser Spaziergänge kaum ein Wort mit mir, war immer tief in Gedanken versunken. Er ging zügig, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, nickte Passanten zu, und die Absätze seiner blankpolierten Slipper klackerten über den Bürgersteig. Er hatte lange Beine, und so fiel ich oft zurück und hatte Mühe, ihn einzuholen. Den Rest des Tages verbrachte er meist oben in seinem Arbeitszimmer, wo er las oder Schach gegen sich selbst spielte. Er zeichnete leidenschaftlich gern. Ich kann zwar nichts über seine Begabung sagen, weil er mir nie etwas gezeigt hat, aber ich sah ihn oft hochkonzentriert im Arbeitszimmer, am Fenster oder auf der Veranda stehen, einen Kohlestift in der Hand, der über den Skizzenblock flog.
    Alle paar Tage fuhr ich ihn durch die Stadt. Er besuchte seine Mutter einmal pro Woche. Familientreffen gab es auch. Herr Wahdati mied sie meist, und wenn er doch daran teilnahm, brachte ich ihn hin, zu Beerdigungen, Hochzeiten, Geburtstagsfeiern. Ich fuhr ihn auch einmal im Monat zu einem Geschäft für

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