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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Frau des früheren Eigentümers, war Dichterin, und als solche offenbar nicht ganz unbekannt. Haben Sie von ihr gehört?«
    »Ich weiß nur, dass sie Afghanistan schon lange verlassen hatte, als ich geboren wurde«, antwortet Idris.
    »Sie hat mit ihrer Tochter in Paris gelebt«, sagt Thomas, einer der Deutschen. »Sie ist 1974 gestorben. Selbstmord, glaube ich. Sie hatte ein Alkoholproblem, jedenfalls habe ich das gehört. Vor ein oder zwei Jahren habe ich deutsche Übertragungen ihrer frühen Gedichte gelesen, und ich fand ihre Sachen ziemlich gut. Verblüffend explizit, wenn ich mich recht erinnere.«
    Idris nickt, kommt sich aber wieder fehl am Platz vor, dieses Mal, weil er von einem Ausländer über eine afghanische Künstlerin aufgeklärt wird. Er hört, wie Timur sich ganz in der Nähe angeregt mit Nabi über die Mieten in Kabul unterhält. Natürlich auf Farsi.
    »Wissen Sie überhaupt, was Sie für ein solches Haus nehmen könnten, Nabi jan?«, fragt er den alten Mann.
    »Aber ja«, antwortet Nabi lachend. »Ich kenne die Preise in dieser Stadt.«
    »Sie könnten diesen Leuten das Fell über die Ohren ziehen!«
    »Nun, ja.«
    »Stattdessen lassen Sie sie hier umsonst wohnen.«
    »Sie sind hier, weil sie unserem Land helfen wollen, Timur jan. Sie haben ihr Zuhause verlassen und sind hierhergekommen. Es wäre nicht recht, wenn ich ihnen, wie Sie sich ausdrücken, das Fell über die Ohren ziehen würde.«
    Timur stöhnt und leert seinen Drink. »Tja, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder machen Sie sich nichts aus Geld, oder Sie sind ein wesentlich besserer Mensch als ich.«
    Da kommt Amra herein. Sie trägt eine rubinrote afghanische Tunika über der verwaschenen Jeans. »Nabi jan!«, ruft sie. Er wirkt etwas verdutzt, als sie ihm einen Kuss auf die Wange drückt und einen Arm um ihn legt. »Ich liebe diesen Mann«, sagt sie in die Runde. »Und ich liebe es, wenn er rot wird.« Sie wiederholt es für Nabi auf Farsi. Er nickt lachend und errötet tatsächlich ein wenig.
    »Wie wäre es, wenn Sie mich mal erröten ließen?«, fragt Timur.
    Amra tippt ihm gegen die Brust. »Dieser Mann verheißt nichts als Ärger.« Dann begrüßt sie Markos auf afghanische Art mit drei Wangenküssen. Genauso die Deutschen.
    Markos legt ihr einen Arm um die Taille. »Amra Ademovic. Keine Frau in Kabul arbeitet härter als sie. Dieses Mädchen sollte man besser nicht gegen sich aufbringen. Außerdem trinkt sie einen unter den Tisch.«
    »Das werden wir ja sehen«, sagt Timur und angelt sich ein Glas hinter der Bar hervor.
    Nabi, der alte Mann, entschuldigt sich und geht.
    Während der nächsten Stunde versucht Idris, sich unter die Gäste zu mischen. Je leerer die Flaschen, desto lauter die Gespräche. Idris hört Deutsch, Französisch und etwas, das wie Griechisch klingt. Er trinkt noch einen Wodka, danach ein lauwarmes Bier. Einmal hat er den Mut, einer Gruppe von Gästen einen Witz über Mullah Omar zu erzählen, den er in Kalifornien auf Farsi gehört hat. Aber der Witz funktioniert auf Englisch nicht so gut, und Idris kommt ins Stocken. Die Pointe verpufft. Er geht weiter und lauscht einem Gespräch, das sich um die baldige Eröffnung eines Irish Pub in Kabul dreht. Alle sind sich einig, dass er sich nicht lange halten wird.
    Er läuft durch den Raum, das warme Bier in der Hand. Er hat sich in solchen Runden noch nie wohl gefühlt. Er versucht, sich mit der näheren Betrachtung der Einrichtung zu beschäftigen. Ein Poster der Buddha-Statuen in Bamiyan, eines Buzkashi-Spiels, eines Hafens auf einer Idris unbekannten griechischen Insel namens Tinos. In der Eingangshalle entdeckt er ein gerahmtes Schwarzweißfoto, leicht verwischt, als wäre es mit einer selbstgebastelten Kamera aufgenommen worden. Es zeigt ein junges Mädchen mit langen schwarzen Haaren. Sie sitzt mit dem Rücken zur Kamera auf einem Stein am Strand und blickt aufs Meer. Links unten sieht das Foto aus, als hätte jemand versucht, es anzuzünden.
    Zum Essen gibt es Lamm mit Rosmarin und tief ins Fleisch gedrückten Knoblauchzehen, dazu Salat mit Ziegenkäse und Nudeln mit Pesto. Idris nimmt sich etwas Salat und stochert, in einer Ecke stehend, darin herum. Er erspäht Timur, der mit zwei attraktiven Niederländerinnen zusammensitzt. Und Hof hält, wie Idris findet. Die drei lachen schallend, und eine der beiden Frauen berührt Timur am Knie.
    Idris geht mit seinem Wein auf die Veranda und setzt sich auf eine Holzbank. Inzwischen ist es dunkel, und die

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