Traumschiff vor Stockholm: Mittsommerherzen (German Edition)
Jahrhunderts fest in dänischer Hand befunden. Und dieser Einfluss war auch heute, mehr als dreihundertfünfzig Jahre später, noch zu spüren.
Es war bereits spät am Nachmittag, als die
Midsommarsolen
im Hafen anlegte. Filippa hatte den ganzen Tag wie unter Strom gestanden. Nur mit Mühe und Not hatte sie es geschafft, ihre regulären Aufgaben zu erledigen. Dazu gehörte es vor allem, sich um die Zufriedenheit und das Wohl der Passagiere der höheren Preiskategorien zu kümmern. Daran, ihre Suche nach dem Reisekritiker fortzusetzen, war nicht einmal zu denken gewesen. Und das alles nur wegen der Verabredung zum Abendessen mit Erik Andersson – einem Passagier!
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie sich tatsächlich auf dieses Wagnis eingelassen hatte. Aber dies, das schwor sie sich, musste das erste und letzte Mal sein. Majken hatte nämlich ganz recht: Eklund würde kurzen Prozess mit ihr machen, wenn er sie erwischte. Und wenn sie den Job an Bord der
Midsommarsolen
verlor, würde es ihr niemals gelingen, ihrem Vater zu beweisen, aus welchem Holz sie geschnitzt war.
Sie konnte seine Worte förmlich hören: „Ich habe es dir doch gleich gesagt,
min älskling
: Such dir endlich einen Ehemann. Frauen haben sich um die Familie zu kümmern – das Geldverdienen kannst du getrost uns Männern überlassen.“
Jedes Mal, wenn Gunnar Vinterdahl-Norrholm so etwas von sich gab, musste Filippa sich eisern beherrschen, um keinen Streit vom Zaun zu brechen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm über dieses Thema zu diskutieren. Die Ansichten ihres Vaters stammten aus längst vergangenen Zeiten, aber sie waren in seinem Denken so fest verankert, dass nur ein echtes Erdbeben sie ins Wanken bringen würde.
Wie sonst ließ sich erklären, dass er sich hinter ihrem Rücken mit Helge gegen sie verbündet hatte?
Noch immer stieg Wut in ihr auf, wenn sie daran dachte, wie ihr Vater reagiert hatte, als sie ihn deswegen zur Rede stellte. „Ich verstehe dein Problem nicht, Filippa“, war sein genauer Wortlaut gewesen. „Dann interessiert es dich eben nicht, dass er das Zeug zu meinem Nachfolger hat, schön. Aber ich habe doch Augen im Kopf und sehe, wie die Frauen im Büro sich die Hälse nach Helge verrenken. Was hast du nur an dem Jungen auszusetzen?“
Dass er sich nur aus Eigennutz und Karrieredenken an mich herangemacht hat, vielleicht? Oder dass er sich mit dir gegen mich verschworen hat, um mir gleich nach der Hochzeit die Leitung der Firma aus der Hand zu reißen? Möglicherweise hatte es aber auch mit der Frau zu tun, mit der Helge sich während der ganzen Zeit, die wir miteinander verlobt waren, heimlich getroffen hat …
Filippa atmete tief durch. Es war ihr nicht leichtgefallen, ihrem Vater seinen Verrat zu verzeihen. Allerdings glaubte sie, dass er tatsächlich davon überzeugt war, das Beste zu tun – für die Firma
und
für sie. Ganz anders als Helge, der nur seinen eigenen Vorteil im Sinn gehabt hatte.
Dass sie sich entschieden hatte, nicht mit ihrer Familie zu brechen, bedeutete jedoch nicht, dass sie bereit war, sich den Vorstellungen ihres Vaters zu beugen. Ganz im Gegenteil!
Sie hatte Gunnar Vinterdahl-Norrholm vor die Wahl gestellt: Entweder er gab ihr eine verantwortungsvolle Position in der Reederei und akzeptierte endlich, dass sie eines Tages seine Nachfolge antreten wollte, oder er fand sich damit ab, dass sie sich bei der Konkurrenz eine eigene Karriere aufbaute. Tja, und nun war sie hier, an Bord der
Midsommarsolen
.
Umso verrückter erschien es ihr jetzt, dass sie Anderssons Einladung tatsächlich folgte. Bei dem Gedanken fing ihr Herz wieder an, aufgeregt zu pochen.
Ruhig, ganz ruhig …
Majken hatte ihr Versprechen wahr gemacht und ihr ein wunderbares Kleid aus einem schillernden Stoff besorgt, dessen blauvioletter Farbton fast genau dem ihrer Augen entsprach. Ein sparsames, aber ausdrucksvolles Make-up und eine goldene Spange, die ihr lockiges Haar bändigte, hatten einen derart erstaunlichen Effekt, dass sie sich immer wieder fragte, wer die attraktive Fremde war, deren Spiegelbild ihr aus den Schaufenstern entgegenblickte.
Sie hatte das Hafengebiet inzwischen verlassen und ging die breite Ö
stergatan
entlang, die von hübschen alten, in Backsteingotik errichteten Gebäuden gesäumt wurde. Dann bog sie in die
Mäster Nilsgatan
ein, bis sie schließlich die
St. Petri Kyrka
erreichte. In einer kleinen Seitenstraße nahe der mittelalterlichen Kirche fand sie das
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