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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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Arbeiter selbst für Kleinigkeiten bestrafte. Nein, mit Julius Castor legte man sich nicht an.
    „Ich fahre jetzt zurück in die Stadt“, sagte Ferre und erhob sich.
    Castor wandte sich wieder seinen Unterlagen zu. „Ruf mich morgen an und sag mir, ob alles glatt gegangen ist.“
     
     
    15. Boule
     
    Abby saß noch immer auf dem Fußboden und starrte die Fotografie von Linda und Patrick Ferre an. Sie fühlte sich unendlich gedemütigt. Patrick hatte ganz offensichtlich ein Verhältnis mit ihrer Schwester gehabt und er hatte versucht, auch sie zu verführen. Aber vor allem hatte er gelogen. Abby konnte sich noch gut an ihr erstes Aufeinandertreffen in dem exklusiven Restaurant am Tag ihrer Ankunft erinnern. Nachdem er ihr erzählt hatte, er wäre Zuckerrohranbauer, hatte sie ihn gefragt, ob er Linda kenne, die für einen europäischen Konzern Zucker in Haiti ankaufe. Er hatte das vehement verneint, aber das Foto bewies, dass er sie doch kannte. Und zwar auf sehr intensive Weise.
    Als sie über den ersten Abend nachdachte, fiel ihr ein, wie erschrocken Ferre beim Zusammenstoß gewirkt hatte. Dafür gab es nur eine Erklärung. Sie und Linda sahen sich zwar nicht übermäßig ähnlich, aber bei ungünstiger Beleuchtung konnte man sie durchaus im ersten Moment verwechseln.
    Abby sah die Szene vor ihrem inneren Auge, sah Ferres ängstlichen Blick. Das konnte nur bedeuten, dass er von Lindas Tod wusste. Für ihn musste es für einen kurzen Augenblick so ausgesehen haben, als sei sie von den Toten auferstanden.
    Immer mehr Merkwürdigkeiten fielen Abby ein. Ferre hatte sie ohne zu zögern zum Essen eingeladen, obwohl er sie gar nicht kannte. Seine Hilfsbereitschaft, als er sie zum Gesundheitsministerium begleitet hatte. Im Nachhinein erschien es ihr, als habe Patrick Ferre nur ein Ziel gekannt – sie auf Schritt und Tritt zu begleiten.
    Hatte er etwas mit Lindas Tod zu tun?
    Ihr Blick wanderte zu Jean Mitchard hinüber, der noch immer die Akten durchsah. Jean war sich sicher, dass Linda eines natürlichen Todes gestorben war.
    Konnte sie ihm vertrauen? Konnte sie überhaupt jemandem in diesem verfluchten Land trauen?
    Ja, beantwortete sie sich ihre Frage still. Jean konnte sie vertrauen. Er war es gewesen, der vorgeschlagen hatte, die Asche zu untersuchen und er war es auch, der herausgefunden hatte, dass sie belogen und betrogen worden war.
    Jean schien ihren Blick zu spüren, denn er hob den Kopf und sah sie an.
    „Was ist mit Ihnen? Sie sehen aus, als haben Sie ein Gespenst gesehen.“
    Wortlos reichte sie ihm das Foto. Mitchard betrachtete es lange, bevor er etwas sagte.
    „Das ist also Ihre Schwester. Eine wunderschöne Frau.“
    „Und der Mann neben ihr, ist Patrick Ferre.“
    „Ja, ich habe ihn gleich erkannt.“
    Abby erzählte ihm von ihren Bedenken gegenüber Ferre. Sie berichtete ihm alles, was geschehen war, seit sie Patrick kennengelernt hatte, nur den Vorfall im Voodootempel ließ sie unerwähnt.
    „Meinen Sie, er hat etwas mit Ihrem Tod zu tun?“, fragte sie schließlich.
    „Ihre Schwester verstarb an einer fieberhaften Erkrankung. Dafür gibt es wahrscheinlich ein Dutzend Zeugen. Sie wurde nicht ermordet, falls sie das glauben sollten.“
    „Aber finden Sie sein Verhalten nicht verdächtig?“
    „Ehrlich gesagt - nein. Für all das kann es auch eine einfache Erklärung geben. Er hat sie zum Essen eingeladen, weil sie fremd in der Stadt waren. Außerdem sind Sie eine schöne Frau. Patrick Ferre ist in Port-au-Prince berüchtigt. Er ist ein Weiberheld. Die Hälfte der Frauen von Pétonville war schon mit ihm im Bett. Die andere Hälfte hält sich von ihm fern, um ihre Ehen nicht zu gefährden.“
    Mitchards Bemerkungen versetzten Abby einen Stich. Sie war also nicht mehr als ein flüchtiges Abenteuer für Ferre gewesen. Eine Eroberung für die Nacht. Wahrscheinlich hatte er sich im Voodootempel königlich über sie amüsiert. Abby verfluchte ihre Naivität, die sie immer wieder an die falschen Männer geraten ließ.
    „Wahrscheinlich hat er Sie wirklich nur aus Hilfsbereitschaft zum Gesundheitsministerium begleitet“, sprach Mitchard ungerührt weiter.
    „Das glaube ich nicht.“
    Jean sah sie eindringlich an. „Sie verrennen sich da in etwas. Ihre Verdächtigungen haben einen entscheidenden Fehler.“
    „Welchen?“
    „Sie haben ihn angerempelt und dadurch kennengelernt. Nicht umgekehrt. Ferre konnte nicht ahnen, dass sie an diesem Abend im Restaurant sein würden. Wahrscheinlich wusste

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