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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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bemühte sich, leise zu gehen, aber es war unnötig. Die Rezeption lag verwaist im Licht einer einzelnen Schreibtischlampe. Aus einem offenen Türspalt daneben schimmerte blaues, flackerndes Licht. Eine Stimme plärrte auf Französisch. Richard Morse oder einer seiner Söhne sah fern. Gut. Abby hatte sich zwar alle möglichen Erklärungen dafür einfallen lassen, warum sie mitten in der Nacht das Hotel verließ, aber so war es ihr entschieden lieber.
    Sie öffnete die Glastür vorsichtig und schlüpfte hinaus in die Dunkelheit. Nicht weit entfernt blitzten zwei Scheinwerfer auf. Abby ging schnellen Schrittes zu dem Renault hinüber. Mitchard hatte das Seitenfenster heruntergekurbelt. Sein Gesicht war im schwachen Mondschein kaum auszumachen.
    „Warten Sie schon lange?“, fragte Abby.
    „Zehn Minuten.“ Er öffnete die Fahrertür und stieg aus. „Legen sie sich auf die Rückbank. Hier ist eine Decke. Ziehen sie die über den Kopf, damit Sie niemand sieht.“
    „Ist das wirklich nötig?“
    „Ja, unbedingt. Wenn jemand eine weiße Frau im Auto entdeckt, werden wir überfallen, bevor wir auch nur die Hauptstrasse erreichen. Nachts ist es in dieser Stadt wirklich schlimm. Banden beherrschen die Straßen und die Polizei bleibt in ihren Stationen und traut sich erst wieder im Morgengrauen hinaus, um die Leichen zu zählen.“
    Abby stieg auf die Rückbank. Sie legte sich seitlich auf das Polster und kroch unter die braune Decke, die einen muffigen Geruch ausströmte. Mitchard setzte sich wieder auf den Fahrersitz und zog langsam die Tür zu. Ohne das Licht einzuschalten fuhr er los. Erst als das Hotel ein Stück hinter ihnen lag, blendete er auf.
    Sie fuhren über die Avenue John Brown , deren grauer Asphalt wie eine gehäutete Schlange vor ihnen lag. Es war kaum Verkehr unterwegs und Abby wagte es. hin und wieder sich aufzurichten und nach draußen zu spähen. Mitchard wählte den kürzesten Weg, indem er am Place de Héros de l’Indépendance vorbeifuhr und in die Rue Oswald Durand abbog. In der Nähe des Stadions trieben sich merkwürdige Gestalten herum. Männer standen mitten auf der Straße, rauchten und trieben Handel miteinander. Mitchard sah wie Geldscheine den Besitzer wechselten, als er langsam am Stadion vorbeifuhr. Jemand trat mitten auf die Fahrbahn und hielt beide Hände hoch, als wolle er den Wagen stoppen. Es war ein Jugendlicher mit Zigarette im Mundwinkel.
    „Runter mit dem Kopf“, raunte Jean nach hinten.
    Mitchard schaltete das Fernlicht ein, aber der Junge wich nicht aus. Jean musste um ihn herum fahren. Nachdem er den Jungen passiert hatte, sah er im Rückspiegel, wie ihm dieser den Mittelfinger zeigte, sich aber gleich wieder abwandte.
    „Was ist los?“, fragte Abby. Ihre Stimme klang gedämpft durch die Decke.
    „Nichts weiter. Ich werde direkt neben der Friedhofsmauer parken, aber Sie bleiben im Wagen, bis ich Ihnen sage, dass die Luft rein ist.“
    „In Ordnung.“
    Jean bog in die Rue Jean-Marie Guilloux ab, schaltete die Scheinwerfer und den Motor ab und ließ den Wagen langsam ausrollen. Mit angespannten Nerven blieb er mehrere Minuten lang sitzen und beobachtete die Umgebung. Nichts rührte sich. Nur eine Katze schrie klagend in der Dunkelheit.
    „Okay, wir können aussteigen, aber seien Sie um Himmels Willen leise.“
    Vorsichtig drückte er die Fahrertür auf und klappte den Sitz um. Abby kroch unter ihrer Decke hervor. Aus dem Kofferraum holte Mitchard eine Taschenlampe und zwei Schaufeln.
    „Haben Sie keine Hacke mitgebracht?“, fragte Abby.
    „Hier gibt es leider keine Baumärkte wie in England. Schon die Schaufeln aufzutreiben, war ein Problem“, zischte Jean.
    „Beruhigen Sie sich. Die Schaufeln werden genügen.“
    „Los jetzt.“
    Der Zugang zum Friedhof war unverschlossen, aber das alte Eisentor ächzte in seinen Scharnieren, als sie es aufschoben. Es gab ein Geräusch, von dem Abby glaubte, man könne es noch meilenweit entfernt hören.
    In der Dunkelheit war es weitaus schwieriger, sich zu orientieren. Der Mond blieb hinter finsteren Wolken verborgen und so musste Mitchard die Taschenlampe benutzen, damit sie sich zurechtfanden. Im bleichen Schein der Lampe wirkten die Gräber bedrohlich. Abby hatte den Eindruck, als würden sie näher an den Pfad heranrücken, um sie auf ihrem Weg über den Friedhof zu beobachten. Knochen blitzten auf, wenn das Licht auf sie fiel. Abby fröstelte.
    „Scheiße, ist das unheimlich“, flüsterte sie Jean zu.
    „Sie wollten es

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