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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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abzuwarten, legte er wieder auf. Er war es gewohnt, dass seinen Befehlen Folge geleistet wurde.
     
     
    „Das gibt’s doch nicht“, stöhnte Abby.
    Mitchard schwieg. Auch ihn hatte die Tatsache, dass der Sarg leer war, vollkommen überrascht.
    „Der Totengräber hat uns belogen. Hier wurde keine weiße Frau beerdigt.“
    „Niemand vergräbt einen leeren Sarg in der Erde. Außerdem glaube ich dem Alten“, entgegnete Jean. Regenwasser lief über sein Gesicht und hinterließ schmutzige Spuren, die wie winzige Flüsse wirkten.
    „Dann hat jemand ihre Leiche gestohlen“, beharrte Abby.
    Mitchard stieg in den Sarg hinein. Eine Holzplanke zerbrach unter seinem Gewicht. Mit der Taschenlampe beleuchtete er den Boden und die Seitenwände des Sarges.
    „Lassen Sie uns gehen“, verlangte Abby. „Wir haben meine Schwester nicht gefunden und ich friere erbärmlich.“
    „Einen Moment noch.“
    „Was machen Sie denn da? Das ist doch sinnlos. Der Sarg ist leer.“
    „Kommen Sie zu mir.“ Seine Stimme war eindringlich. Jean musste etwas entdeckt haben. Abby stieg in das Grab hinunter.
    Mitchard richtete den Strahl der Taschenlampe auf die linke Seitenwand des Sarges. Das Holz war an einigen Stellen aufgesplittert.
    „Sehen Sie das?“, fragte er Abby.
    „Wahrscheinlich haben Sie den Sarg beim öffnen beschädigt“, meinte Abby, die nicht wusste, worauf Mitchard hinauswollte.
    „Nein, ich habe den Deckel an der anderen Seite aufgestemmt. An diese Stelle bin ich gar nicht herangekommen.“
    „Und? Jemand hat also einen alten Sarg vergraben, was soll’s?“
    „Das sind Kratzspuren von Fingernägeln.“
    „Hören Sie auf...“ Der Satz erstarb auf ihren Lippen, in dem Moment, in dem sie genauer hinsah. Jean hatte Recht. Es sah tatsächlich so aus, als habe jemand versucht, sich von innen aus dem Sarg zu befreien.
    „Sie wissen, was das bedeutet“, sagte Mitchard leise.
    Abby zitterte, aber es war nicht die Kälte, die ihren Körper schüttelte. Es war das blanke Entsetzen.
    „Meine Schwester wurde lebendig begraben.“
     
     
    Sie fanden noch mehr Spuren. Auch der Sargdeckel wies an der Innenseite Kratzer im Holz auf. Abby fuhr die Rillen mit ihren Fingerspitzen nach.
    „Linda hat bis zum letzten Augenblick um ihr Leben gekämpft.“
    „Wir wissen nicht sicher, ob sie in diesem Grab lag.“
    „Doch, ich fühle es.“
    Mitchard wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er wandte sich ab, um ein letztes Mal das Licht der Taschenlampe über den Sargboden gleiten zu lassen. Plötzlich fiel ihm etwas auf. Jean bückte sich. Er erhob sich wieder. In seiner offenen Handfläche lagen kleine Körner. Er leuchtete sie an.
    „Was haben Sie gefunden?“
    „Sesam.“
    Abby begriff nicht, warum er so ein ernstes Gesicht machte.
    „Alles ist noch viel schlimmer als wir es uns vorgestellt haben.“
     
     
    „Was bedeutet das?“, fragte Abby erneut, aber Mitchard gab ihr keine Antwort, sondern schaufelte verbissen das Grab zu.
    „Sagen Sie mir endlich, was das zu bedeuten hat?“, verlangte Abby.
    „Später.“
    „Nein, Sie...“
    „Ich habe später gesagt.“ Jeans Stimme klang hart. Unzugänglich. Er schob die restliche Erde über das Grab und klopfte den Erdboden mit der Schaufel fest.
    „Gehen wir.“
    Sie erreichten das Auto. Mitchard warf die Schaufeln in den Kofferraum und befahl Abby, sich wieder auf den Rücksitz zu legen. Schweigend startete er den Motor und fuhr durch die Stadt. Erst vor dem Hotel sprach er wieder.
    „Sie können hochkommen. Wir sind da.“
    Abby richtete sich auf und warf die Decke beiseite. Jean saß, ohne sich zu rühren, auf seinem Sitz und blickte sie im Rückspiegel an. Es hatte aufgehört zu regnen und der Mond stand am klaren Himmel. Sein Licht fiel ins Innere des Fahrzeugs. Abby bemerkte Mitchards intensiven Blick und starrte zurück.
    „So, und jetzt sagen Sie mir, was es mit diesen Sesamkörnern auf sich hat“, verlangte sie.
    Er zögerte, sprach dann aber doch. „Wissen Sie, was der Begriff ‚Zombi Cadavre’ bedeutet?“
    Abby schüttelte den Kopf.
    „Oder ‚gros bon ange’? ‚Corps cadavre’?“
    „Nein, das alles sagt mir nichts.“
    „Was ich Ihnen jetzt erkläre, wird für Sie sehr phantastisch klingen, aber glauben Sie mir, ich meine es vollkommen ernst.“
    „Jetzt reden Sie schon.“
    Mitchard seufzte, bevor er sagte: „Ihre Schwester wurde in einen Zombie verwandelt.“
    „Das kann unmöglich Ihr Ernst sein, Jean.“ Abby kicherte. Nach den

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