Traumschlange (German Edition)
sicher. Allerdings ist so etwas nicht billig. Wer ist die Frau?“
Mitchard reichte ihm ein Foto von Abby, dass er erst am Abend zuvor mit Linda Summers Sofortbildkamera gemacht hatte. Es zeigte die junge Frau mit ernstem Gesicht.
„Ihr Name ist Abby Summers. Sie wohnt im Hotel Oloffson und dürfte nicht schwer zu finden sein.“
„Dreitausend Dollar“, knurrte Marve.
„Wie bitte?“ Die Situation verlangte von Jean, dass er seine Rolle überzeugend bis zum Schluss spielte. Dreitausend Dollar waren auf Haiti ein Vermögen.
„Im Voraus.“
„Eintausend. Keinen Cent mehr“, erwiderte Mitchard.
Marve schnippte mit den Fingern. Der Türwächter erschien im Eingang. Seine Gestalt zeichnete sich wie ein Berg vor dem hellen Hintergrund ab.
„Der Gentleman möchte gehen. Begleite ihn hinaus.“
„Also gut“, sagte Jean hastig. „Zweitausend Dollar.“
„Sie haben mich falsch verstanden. Ich verhandele nicht. Entweder Sie bezahlen meinen Preis oder Sie gehen.“
Der Leibwächter rückte näher. Jean hob ergeben beide Hände.
„Ich bin einverstanden.“
Marve winkte den Wächter wieder hinaus.
„Wann wollen Sie, dass es geschieht?“
„Sobald als möglich.“
„In Ordnung. Sie bringen mir das Geld. Keine großen Scheine. Das Foto lassen Sie hier.“
Jean reichte es ihm wortlos.
„Eines muss Ihnen klar sein, sollten Sie irgendjemandem von diesem Gespräch erzählen, sind Sie tot. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?“
Marve erwartete keine Antwort. Die Kerze erlosch. Das Gespräch war beendet.
Jean und Abby trafen sich in dem kleinen Restaurant, das sie schon am Vorabend besucht hatten. Es war Spätnachmittag und nur wenige Gäste saßen verstreut an den Tischen. Abby hatte sich ein Taxi genommen. Sie trank ein Glas Bananensaft, als Mitchard eintraf. Abby sah sofort, dass es ihm nicht gut ging. Jean schlurfte wie ein alter Mann kraftlos durch die Tischreihen. Seine Augen waren gerötet und lagen tief in den Höhlen. Das Gesicht hatte eine ungesunde Bleiche angenommen, die Haut wirkte wie Pergament über seinen vortretenden Wangenknochen. Jean setzte sich zu ihr und bestellte einen Tee.
„Was ist mit dir?“, fragte Abby sofort.
„Mir geht es beschissen. Muss mich wohl auf dem Friedhof erkältet haben. Zu wenig Schlaf und der Dienst im Krankenhaus haben mir den Rest gegeben.“
„Ich mache mir Sorgen um dich.“
Jean winkte lässig ab. „Zwei Aspirin und eine ruhige Nacht und ich bin wieder auf den Beinen.“
„Okay, dann lass es uns kurz machen. Hast du mit Marve gesprochen?“
„Ja, die Sache läuft. Er verlangt dreitausend Dollar.“
Abby ließ die angestaute Luft aus ihren Lungen entweichen. „Eine Menge Geld.“
„Hast du so viel?“
„Nein, aber ich werde es besorgen.“ Sie würde ihre Bank in London anrufen und fragen, ob Ternhams Geld schon auf ihrem Konto eingegangen war. Falls nicht, musste sie mit dem Galeriebesitzer telefonieren, dass er ihr den Betrag telegrafisch anwies.
„Ich habe ihm dein Foto dagelassen, aber mach dir keine Sorgen, der Kerl wird nichts unternehmen, bevor er nicht seine dreitausend Dollar in Händen hat.“
„Kennt er meinen Namen?“
„Ja, es ließ sich nicht vermeiden. Marve wollte wissen, um wen es geht, bevor er mir seinen Preis nannte.“
„Wann soll es passieren? Und wie soll es geschehen?“, wollte Abby wissen.
„Darüber haben wir nicht gesprochen. Ich nehme an, er sagt es mir erst nach Geldübergabe. Uns bleibt noch etwas Zeit. Du kannst es dir immer noch anders überlegen. Das Atropin habe ich übrigens besorgt. Wir sind also vorbereitet.“
Abby nahm aus Ihrer Handtasche mehrere Gegenstände und legte sie vor Mitchard auf den Tisch.
„Ich war heute auf dem Marché de Fer, dem Eisenmarkt, und habe mir ein paar Sachen besorgt, die ich benötige.“
„Abby!“
„Es war vollkommen ungefährlich. Jede Menge Touristen waren unterwegs. Mir konnte nichts geschehen.“
Jean betrachtete die Dinge, die Abby gekauft hatte. Er sah eine Landkarte von Haiti, ausgebleicht und an den Seitenrändern eingerissen. Ein alter Armeekompass lag neben einem gefährlich aussehenden Klappmesser.
„Diese Dinge brauche ich, wenn ich Linda gefunden habe.“
Jean fiel auf, dass sie nicht ‚falls ich Linda finde’ gesagt hatte. Anscheinend war Abby inzwischen vom Erfolg ihres Vorhabens überzeugt, aber vielleicht tat sie auch bloß so, damit er sie nicht weiter bedrängte, die Sache aufzugeben.
„Damit kommst du nie
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