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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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von Haiti in eine tiefe Depression gefallen. Er hat ihnen die Hoffnung genommen.“
    „Das ist traurig“, stellte Abby fest, die das Gespräch nun doch ermüdete. Sie ließ ihren Drink ungetastet stehen und erhob sich. „Ich denke, ich gehe ins Bett. Eine gute Nacht, Mr. Morse.“
    „Die wünsche ich Ihnen auch.“
     
     
    Jean wusste nicht, ob er tot oder noch am Leben war. Eine Zeitlang hatte ihn eine allumfassende Ohnmacht in ihrem Griff gehabt. Als er nun langsam das Bewusstsein wieder erlangte, fand er sich orientierungslos auf dem Boden liegend. Seine Augen hatten Mühe das Bild scharfzustellen, aber schließlich bildete sich aus den farbigen Schlieren ein Muster heraus. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Linoleum der Küche.
    Mitchard gab seinem Körper den Befehl sich zu erheben, aber nichts geschah. Er wollte blinzeln, weil seine Augen brannten, aber auch das gelang ihm nicht. Jean konnte nicht klar denken, deshalb wunderte er sich auch nicht über seinen seltsamen Zustand. Sein Geist kam und verschwand in Wellen, so wie ein Schwimmer den Kopf aus dem Wasser hebt, um zu atmen, gelang es seinen Gedanken nur in kurzen Momenten einen Gedanken zu fassen, bevor er ihm wieder entglitt.
    Füße traten in sein Blickfeld. Jemand packte ihn an den Schultern und drehte ihn herum. Nun sah er ein Stück der Decke. Jean versuchte den Kopf zu drehen, um herauszufinden, wer ihm da geholfen hatte, aber es war sinnlos.
    Ein Gesicht beugte sich über ihn. Dr. Raphael Muncine schob eines seines Augenlieder weit nach oben und leuchtete hinein. Jean wollte die Augen geblendet schließen, aber auch das funktionierte nicht. Eine Hand wurde auf seine Halsschlagader gelegt.
    Jemand fühlte seinen Puls. Jean beruhigte sich. Muncine war ein brillanter Arzt, er würde feststellen, dass er noch am Leben war.
    „Er ist definitiv tot“, sagte eine dunkle Stimme. Jean brauchte einen Augenblick, bis er begriff, dass Muncine gesprochen hatte.
    „Ihr könnt ihn rausschaffen“, sprach die Stimme weiter.
    Männer hoben ihn hoch und legten ihn auf einen weichen Untergrund.
    Bevor sein Verstand wieder in die Fluten des Vergessens eintauchte, hörte er noch wie Muncine sagte: „Bringt ihn direkt in die Leichenhalle.“
     
     
    23. Erwache!
     
    Abby war unruhig. Unruhig und besorgt. Sie stand am Balkonfenster und beobachtete den Regen, der gegen die Scheiben prasselte. Sie sah, wie die hohen Palmen vor dem Haus sich nach Osten bogen, sah wie der Wind, die Büsche im Garten des Hotels zerzauste. Der eigentliche Sturm war noch nicht auf Haiti eingetroffen. Wie ein hungriges Raubtier lauerte er draußen auf dem Meer, aber schon jetzt hielten seine Ausläufer die Insel fest im Griff. Die Menschen flüchteten vor dem Orkan in ihre Hütten. Vernagelten notdürftig mit Brettern ihre Fenster und Türen. Es würde ihnen nichts nützen. Der kaum noch auszumachende Horizont versprach ein Unwetter, wie es die Insel noch nicht gesehen hatte.
    Schon mehrfach hatte Abby telefonisch versucht, Jean Mitchard zu erreichen, aber jedes Mal, wenn sie seine Nummer eintippte, erhielt sie ein Besetztzeichen. So ging das nun seit Stunden. Jean konnte unmöglich so lange telefonieren, aber vielleicht waren auch einfach nur die Leitungen infolge des Sturms gestört. Wer konnte das schon wissen?
    Sie hatte ihn anrufen wollen, um ihm zu sagen, dass sie die dreitausend Dollar aufgetrieben hatte. Ternhams Geld war pünktlich auf ihrem Konto eingegangen und Abby hatte die Bank beauftrag, ihr den Betrag telegrafisch anzuweisen. Spätestens morgen früh, würde sie die Summe in ihren Händen halten, dann konnte Jean zu Marve gehen. Der Rest war Schicksal. Wieder nahm sie den Hörer ab und wählte Jeans Nummer.
    Besetzt.
    Sie wollte mit ihm sprechen. Sie wollte wissen, wie es ihm ging, hören, dass er wieder gesund war. Aber vor allem brauchte sie jemanden, der ihr Mut zusprach, der sagte: „Abby, du tust das Richtige. Alles wird gut.“ Denn ihre Angst vor dem Unbekannten steigerte sich von Stunde zu Stunde.
    Was ist da bloß los? Warum erreiche ich ihn nicht?, fragte sie sich.
    Ihre Idee mit Jean zu sprechen wurde zur fixen Idee. Sie musste mit ihm reden oder sie würde vor Angst verrückt werden. Sie entschloss sich im Krankenhaus anzurufen. Bestimmt konnte ihr jemand seine Adresse geben. Sie würde hinfahren und nachsehen, wie es ihm ging. Erneut hob sie den Hörer und wählte die Null. Morse hob augenblicklich ab. Abby äußerte ihren Wunsch und der

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