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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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während ihrer Abwesenheit ihr Gepäck durchstöbern könne. Dann sah sie, daß das Eßgeschirr beschädigt war, der Metallteller in der Mitte geknickt und zusammengedrückt, der Becher verbeult, der Löffel verbogen. Sie ließ Winds Zügel fallen und eilte zu ihren ordentlich aufgestapelten Besitztümern. Die gefalteten Decken waren zerschlitzt und eingerissen. Vom Stapel der Kleidungsstücke hob sie ihr sauberes Kleid auf, doch es war nicht länger sauber. Man hatte es am Wasser in den Morast getreten. Schon vorher war es alt, abgetragen und schlaff gewesen, fadenscheinig und an manchen Stellen fast durchgescheuert, aber ihr bequemstesKleid, ihr Lieblingskleid. Nun war der Rücken aufgeschnitten, die Ärmel hingen in Fetzen; es war unbrauchbar. Der Futtersack lag zwischen den anderen Habseligkeiten, aber das Heu war im Sand zertrampelt worden. Wind fraß von den Resten, während Schlange die Verwüstung ringsum begutachtete. Sie konnte nicht verstehen, warum jemand ihren Lagerplatz durchwühlen und dann ihren ruinierten Besitz in schönster Ordnung zurücklassen sollte.
    Sie vermochte nicht zu begreifen, wieso sich überhaupt jemand für ihren Lagerplatz interessieren konnte, denn sie besaß kaum irgend etwas von Wert. Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte jemand geglaubt, sie habe beträchtliche Mengen von Gold und Edelsteinen eingenommen. Manche Heiler erhielten für ihre Dienste reiche Belohnungen. In der Wüste jedoch hielt man sehr viel von Ehre, und auch Menschen, die keine Hochachtung schützte, die ihr Gewerbe nicht nahezu unnahbar machte, dachten sich nichts dabei, ihr Eigentum unbewacht zu lassen. Das zerrissene Kleid noch in der Hand, schlenderte Schlange an ihrem verheerten Lagerplatz umher, zu müde, ausgehöhlt und verwirrt, um über dies seltsame Ereignis nachzugrübeln. Eichhörnchens Packsattel lehnte an einem Felsen; Schlange hob ihn aus keinem besonderen Grund auf, außer dem vielleicht, daß er unbeschädigt aussah. Dann aber bemerkte sie, daß alle Seitentaschen aufgeschlitzt und abgerissen worden waren, obwohl die Laschen nur Knöpfe besessen hatten. Die Seitentaschen hatten ihre sämtlichen Karten und Aufzeichnungen sowie das Berichtsbuch ihres noch nicht beendeten Probejahres enthalten. Sie tastete in den Winkeln der Taschenfetzen umher, in der Hoffnung, wenigstens noch einen Fetzen Papier zu entdecken, aber nichts war geblieben.
    Schlange warf den Sattel hin. Sie hastete um ihr Lager, schaute hinter Steine, scharrte im Sand, hoffte darauf, einzelne Blätter zu finden, unter ihren Füßen das Rascheln von Papier zu hören, aber nichts dergleichen geschah; nichts war geblieben. Ihr war zumute, als habe sie jemand verprügelt. Alles andere, was sie besaß, ihre Decken, die Kleidung, ganz bestimmt die Karten, konnte einem Dieb von Nutzen sein, aber das Berichtsbuch war für jedermann außer ihr nutzlos.
    »Verdammt noch mal!« schrie sie wütend, an niemanden gewandt. Die Stute schnob, scheute und trabte davon in einen Tümpel. Schlange bebte, rang um Fassung, dann drehte sie sich um, streckte eine Hand aus und ging langsam auf Wind zu, sprach leise auf sie ein, bis die Stute sie die Zügel ergreifen ließ. Schlange streichelte das Tier.
    »Es ist schon gut«, sagte sie, »schon gut, macht nichts.«
    Sie sprach ebenso zu sich selbst wie zu dem Pferd. Sie standen beide bis zu den Knien im kühlen, klaren Wasser. Schlange tätschelte die Stute an der Schulter und pflügte ihre Finger durch die schwarze Mähne. Plötzlich verschwamm ihr Blickfeld, sie lehnte sich an Winds Hals und zitterte. Während sie dem kräftigen, gleichmäßigen Herzschlag der Stute und ihren regelmäßigen Atemzügen lauschte, gelang es Schlange, sich zu beruhigen. Sie straffte sich und watete aus dem Wasser. Am Ufer stellte sie das Schlangenbehältnis beiseite, nahm dem Pferd den Sattel ab und begann es mit dem Fetzen einer zerrissenen Decke abzureiben. Sie arbeitete mit dem Grimm der Erschöpfung. Der Sattel und das reich verzierte Zaumzeug, nun besudelt von Staub und Schweiß, konnten warten, aber Schlange gedachte Wind nicht in schmutzigem, verschwitzten Zustand zu belassen, während sie selbst ausruhte.
    »Schlange-Kindchen, kleine Heilerin, liebes Mädchen...«
    Schlange drehte sich um. Grum humpelte herbei, stützte sich dabei auf einen knorrigen Stock. Eine ihrer Enkelinnen, eine hochgewachsene junge Frau, schwarz wie Ebenholz, begleitete sie, aber alle Enkelkinder Grums wußten genau, daß sie davon abzusehen

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