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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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sich Schlange.
    »Er ist glücklich und zufrieden, Kindchen. Drüben kannst du ihn sehen, dort unter dem Baum, zu faul, um ein paar Schritte zu laufen. Aber er ist wieder wohlauf. So, und du brauchst nun eine Bettstatt und Erholung.«
    Schlange schaute hinüber zu ihrem Tigerpony, das unter den Bäumen stand und mit dem Schweif wedelte. Es machte einen so zufriedenen und wohligen Eindruck, daß sie es nicht rief. Schlange war müde, aber sie spürte um ihren Hals und die Schultern Verspanntheit in allen Muskeln. Schlaf würde eine Unmöglichkeit sein, solange sie sich nicht ein wenig entkrampft hatte. Sie wollte über den Zwischenfall mit ihrem Lagerplatz noch weiter nachdenken. Vielleicht gelangte sie letztlich ebenfalls zu der Schlußfolgerung, daß – wie Grum meinte – ein Verrückter für die Verwüstungen verantwortlich sein mußte. Falls es so kam, mußte sie es verstehen und sich damit abfinden. Sie war nicht daran gewöhnt, daß so viele Dinge blind zufällig geschahen.
    »Ich nehme ein Bad, Grum«, sagte sie, »und dann kannst du mich irgendwo hinbetten, wo ich dir nicht im Wege liege. Es wird nicht für lange sein.«
    »Solange du hier bist, solange wir hier sind: Bei uns bist du willkommen, Heiler-Kindchen.« Schlange drückte sie an sich. Grum patschte ihr auf die Schulter.
     
    In der Nähe von Grums Lager entsprang aus Felsen eine der Quellen, welche die Gewässer der Oase nährten, plätscherte über Gestein abwärts. Schlange kletterte hinauf zu den flachen, ausgewaschenen Felsenbecken, worin sich von der Sonne erwärmtes Wasser staute. Von dort oben konnte sie die gesamte Oase überblicken: fünf Lager am Wasser, Menschen, Tiere. Die schwachen Stimmen von Kindern und das helle Kläffen von Hunden wehten herüber durch die drückende, von Staub erfüllte Luft. Rund um den Teich standen die Bäume wie ein Ring aus Federn, ein Kranz aus hellgrüner Seide. Zu Schlanges Füßen bildete Moos rund um ein natürliches Becken ein weiches Polster. Schlange zog die Stiefel aus und trat auf den kühlen, lebendigen Teppich.
    Sie entkleidete sich und watete ins Wasser. Es hatte etwas weniger als Körpertemperatur, war in der morgendlichen Wärme angenehm, aber nicht so kühl, daß man zurückschreckte.
    Weiter oben zwischen den Felsen war ein Becken mit frischerem, drunten eines mit lauerem Wasser. Schlange hob einen Stein aus einem Spalt, der überschüssigem Wasser den Abfluß in den Sand gestattete. Sie wußte, daß man verschmutztes Wasser nicht einfach hinab in die Oase fließen lassen durfte. Andernfalls wären bald einige Karawanenreisende verärgert zu ihr heraufgekommen, um sie aufzufordern, das zu unterbinden. Sie hätten es so ruhig und entschieden getan, wie sie Tiere abseits führten, die zu nahe am Wasser eingepfercht waren, oder jemandem das Gehen nahelegten, der ein solches Maß an schlechtem Benehmen besaß, um sich am Ufer zu erleichtern. In der Wüste gab es keine Ansteckung infolge verdorbenen Wassers.
    Schlange ging weiter hinaus in das halbwarme Wasser, fühlte es um sich ansteigen, ein wohliges Umgluckern ihrer Schenkel, ihrer Hüften, ihrer Brüste. Sie lehnte sich rücklings an das warme, schwarze Gestein und ließ ihre Spannung langsam zerfließen. Das Wasser kitzelte im Nacken. Sie dachte zurück an die zuletzt verstrichenen Tage. Irgendwie schienen deren Ereignisse sich über einen viel längeren Zeitraum erstreckt zu haben. Sie waren eingebettet in einen Nebel beständiger Erschöpfung. Schlange betrachtete ihre rechte Hand. Der häßliche Bluterguß war verschwunden, vom Biß der Sandnatter waren nur zwei hellrosa Punktnarben geblieben. Sie ballte eine Faust und ließ sie geballt: keine Steifheit, keine Schwäche. So viele Veränderungen in so kurzer Zeit. Schlange hatte nie zuvor Widerwärtigkeiten erdulden müssen. Ihre Ausbildung und ihre Arbeit waren ihr nicht leicht gemacht worden, aber sie ließen sich bewältigen, und kein Argwohn, keine Unsicherheit und keine Verrückten hatten den geruhsamen Verlauf der Tage beeinträchtigt. Nie war sie an irgend etwas gescheitert. Alles war stets kristallklar gewesen, Rechtes und Schlechtes hatten immer deutlich umgrenzte Begriffe umfaßt. Schlange lächelte schwach; hätte jemand ihr oder den anderen Schülern zu erläutern versucht, daß die Wirklichkeit anders war, unvollkommen, widersprüchlichund voller Überraschungen – niemand würde es geglaubt haben. Nun verstand sie die Veränderungen, die sie bei älteren Schülern

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