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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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meinte sie plötzlich. »Warum meine Karten und mein Berichtsbuch?«
    »Karten?« sagte Grum. »Der Verrückte hat Karten gestohlen? Ich habe gedacht, du hättest sie mitgenommen. Dann war es wirklich ein Verrückter.«
    »Ich nehme es an. Es muß wohl einer gewesen sein.« Aber sie war noch immer nicht davon überzeugt.
    »Karten!« stieß erneut Grum hervor. Für einen Augenblick schien Grum den Ärger und die Wut Schlanges zu teilen. Aber die Überraschung in Grums Stimme verwirrte Schlange. Dann fuhr sie heftig herum, als jemand an ihrem Gewand zupfte. Der Sammler sprang zurück, gleichermaßen erschrocken. Schlange beherrschte sich, als sie sah, um wen es sich handelte: um einen jener unermüdlichen Stöberer, die jedes Stückchen Metall, Holz, Tuch, Leder, sämtliche Hinterlassenschaften von Lagerplätzen, gewissenhaft auflasen und irgendwie für alles noch Verwendung fanden. Die Sammler kleideten sich in bunte Gewänder aus Stoffetzen, die sie geschickt zu geometrischen Mustern zusammennähten.
    »Heilerin, hinterläßt du uns all dies? Ist nichts davon noch für...«
    »Ao, verschwinde!« raunzte Grum ihn an. »Belästige die Heilerin jetzt nicht. Du müßtest wirklich klug genug sein, um sie nun in Ruhe zu lassen.«
    Der Sammler senkte den Blick zu Boden, entfernte sich aber nicht.
    »Sie kann nichts damit anfangen. Wir aber. Überlaß es uns. Wir schaffen es fort.«
    »Dies ist nicht der richtige Augenblick, um sie zu fragen.«
    »Laß nur, Grum.«
    Schlange rang sich dazu durch, dem Sammler die Erlaubnis zu erteilen, alles mitzunehmen. Vielleicht vermochten die Sammler mit zerfetzten Decken und verbogenen Löffeln irgend etwas anzufangen; sie konnte es nicht. Sie wollte nichts davon noch einmal ansehen; nicht daran erinnert werden, was sich ereignet hatte. Doch das Ersuchen des Sammlers lenkte Schlange von ihrem Staunen und ihrer Verwirrung ab und versetzte sie wieder in die Wirklichkeit; sie entsann sich an etwas, das Grum über Ao und seinesgleichen äußerte, als sie sich erstmals mit ihr unterhielt.
    »Ao, wenn ich die anderen impfe, werdet ihr euch auch alle impfen lassen, ja?«
    Der Sammler sah sie argwöhnisch an.
    »Krauch- und Kriechviecher, Gift, Magie, Hexen... nein, das ist nichts für uns.«
    »Mit alldem hat das gar nichts zu tun. Ihr werdet die Schlangen überhaupt nicht zu sehen kriegen.«
    »Nein, so was ist nichts für uns.«
    »Dann muß ich den ganzen Krempel mitten im Teich versenken.«
    »Verschwendung«, rief der Sammler. »Nein! Das Wasser verschmutzen? Du häufst Schande auf mein Gewerbe! Du lädst Schmach auf dich selbst.«
    »Das gleiche Empfinden habe ich, wenn ihr euch nicht durch mich gegen Krankheiten schützen laßt. Vergeudung. Verschwendung von Menschenleben. Unnötige Todesfälle. «
    Der Sammler schielte sie unter zottigen Brauen an. »Kein Gift? Keine Zauberei?«
    »Nichts dergleichen.«
    »Stell dich als letzter an, wenn du willst«, sagte Grum. »Dann wirst du sehen, daß es mich nicht umbringt.«
    »Keine Krauch- und Kriechviecher?«
    Wider Willen mußte Schlange lachen. »Keine.«
    »Und danach erhalten wir das?« Der Sammler wies in die Richtung von Schlanges verwüstetem Lagerplatz.
    »Ja, nachher.«
    »Und wir bekommen dann nicht länger Krankheiten?«
    »Weniger. Ich kann nicht alle fernhalten. Aber Masern. Und Scharlach. Kiefer-starre...«
    »Kieferstarre! Die kannst du fernhalten?«
    »Ja. Nicht für immer, aber für lange Zeit.«
    »Wir werden kommen«, sagte der Sammler, drehte sich um und strebte davon.
    In Grums Lager bürstete Pauli die Stute gerade kräftig ab, während Wind Halme aus einem Heubündel zupfte. Pauli besaß die allerschönsten Hände, die Schlange jemals gesehen hatte, groß und trotzdem feingliedrig, langfingrig und kraftvoll, unbeeinträchtigt durch die schwere Arbeit, die sie verrichtete. Obwohl sie groß war, hätten diese Hände leicht an ihrer Person zu wuchtig wirken können, aber das war nicht der Fall. Sie waren anmutig und ausdrucksvoll. Sie und Grum unterschieden sich so stark voneinander, wie es zwei Menschen nur konnten, abgesehen von der Ausstrahlung von Sanftmut, die Großmutter und Enkelin gemeinsam war, ebenso allen Verwandten Paulis, die Schlange kannte. Schlange hielt sich noch nicht lange genug in Grums Umgebung auf, um zu wissen, wie viele Enkelkinder sie um sich hatte, oder um bloß den Namen des kleinen Mädchens zu kennen, das in der Nähe saß und Winds Sattel putzte.
    »Wie geht‘s Eichhörnchen?« erkundigte

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