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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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den restlichen Sammlern an. Während Pauli die Geschichte von Kröte und den drei Baumfröschen beendete, untersuchte Schlange zum Abschluß die Kinder und war sehr froh, als sie bei keinem die Schwellung und Rötung einer allergischen Reaktion feststellte.
    »Und da machte es Kröte nicht länger etwas aus, daß er nicht auf Bäume steigen konnte«, sagte Pauli. »Und damit ist die Geschichte zu Ende. Nun geht heim, Kinder. Ihr seid alle sehr anständig und tapfer gewesen.«
    Sie rannten in wilder Horde davon, schrien und quakten wie Frösche. Pauli seufzte und ließ die Schultern sinken.
    »Ich hoffe, die echten Frösche meinen nicht, es sei außer der Regel eine Paarungszeit angebrochen. Sie sprängen im ganzen Lager umher.«
    »Das ist die Art von Risiken«, sagte Schlange, »welche eine wahre Künstlerin eingehen muß.«
    »Künstlerin!« Pauli lachte und krempelte ihren Ärmel hoch.
    »Du bist mindestens so gut wie die Spielleute, die ich bis jetzt gehört habe.«
    »Vielleicht wie ein Geschichtenerzähler«, sagte Pauli. »Aber nicht wie eine Sängerin.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe kein musikalisches Gehör, ich kann nicht singen.«
    »Dafür bringen die meisten Spielleute keine vernünftige Geschichte zustande. Du hast ein wirkliches Talent.«
    Schlange bereitete den Inokulator vor und hob ihn an Paulis samtweiche Haut. Im Tröpfchen Impfstoff auf der Haut glitzerten die Spitzen.
    »Bist du sicher, daß du die Narbe an dieser Stelle haben möchtest?« fragte Schlange plötzlich.
    »Ja, warum nicht?«
    »Deine Haut ist so schön, daß ich ungern hineinsteche.« Schlange zeigte Pauli ihre freie Hand, deren Narben. »Ich glaube, ich beneide dich ein wenig.«
    Pauli tätschelte Schlanges Hand; ihre Berührung war so sanft wie die von Grum, aber gleichmäßiger und mit mehr zurückgehaltener Kraft.
    »Das sind Narben, die man mit Stolz trägt. Und ich werde stolz sein, von deiner Hand eine Narbe zu tragen. Wer sie sieht, wird wissen, daß ich einem Heiler begegnet bin.«
    Widerwillig drückte Schlange die Nadeln in Paulis Arm.
     
    Während des heißen Nachmittags ruhte sich Schlange aus, so wie alle anderen, die in der Oase lagerten. Nachdem sie für Ao das Schreiben verfaßt hatte, war nichts mehr zu tun gewesen, sie besaß nicht länger etwas zum Packen. Ihr war nichts geblieben. Eichhörnchen brauchte nun lediglich den Sattel zu tragen, der in der Hauptsache unversehrt war, und die äußeren Ledertaschen, ließen sich später reparieren. Davon und von der Kleidung abgesehen, die sie trug, besaß sie nur das Schlangenbehältnis, Dunst und Sand sowie die häßliche Sandnatter, die sozusagen Gras‘ Platz einnahm.
    Trotz der Hitze ließ Schlange die Zeltlaschen herab und öffnete zwei Fächer der Lederschachtel. Dunst floß heraus wie Wasser, hob ihren Kopf und blähte die Kapuze, züngelte eifrig, um sich mit dem noch fremden Zelt vertraut zu machen. Sand kam auf seine gewohnte, gemächliche Art zum Vorschein. Während Schlange zusah, wie die beiden durch die warme Trübnis glitten, worin nur das schwache blaue Licht der Biolumineszenzlaterne auf ihren Schuppen schimmerte, überlegte sie, was wohl geschehen wäre, hätte der Verrückte in ihrer Anwesenheit ihren Lagerplatz durchwühlt. Wären die Schlangen in ihren Fächern gewesen, hätte er sich unbemerkt anschleichen können, denn während sie sich vom Natternbiß erholte, hatte sie in tiefem Schlaf gelegen. Der Verrückte hätte ihr einen Schlag übers Haupt geben und dann seinem Vandalentum frönen können – oder die Suche beginnen. Noch immer vermochte Schlange nicht zu begreifen, warum ein Verrückter ein so planmäßiges Zerstörungswerk anrichten sollte, wenn er nichts suchte; und hatte er etwas gesucht, dann war er kein Verrückter.
    Ihre Karten unterschieden sich nicht von denen, welche die meisten Wüstenbewohner bei sich trugen. Auf Wunsch hätte sie sie jeden abzeichnen lassen. Solche Karten waren sehr wichtig, aber leicht erhältlich. Das Berichtsbuch dagegen besaß für niemanden außer Schlange einen Wert. Fast wünschte sie, der Verrückte hätte wirklich das Lager während ihrer Anwesenheit überfallen – denn wäre er so unvorsichtig gewesen, das Schlangenbehältnis aufzuschlitzen, so hätte er nie wieder ein fremdes Lager heimgesucht. Schlange fand es bedenklich, daß sie eine solche Möglichkeit mit einer Art von grimmigem Vergnügen erwog, aber so war ihre Stimmung nun einmal.
    Sand glitt über ihr Knie, wand sich um ihr Handgelenk

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