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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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und bildete einen dicken Armreif. Vor ein paar Jahren, als er noch klein war, hatte er besser an diesen Platz gepaßt. Einige Minuten später schob sich Dunst um Schlanges Hüften und empor auf ihre Schultern. In besseren Zeiten, falls alles in Ordnung gewesen wäre, hätte Gras um ihren Hals gelegen, ein weiches, lebendiges Smaragdhalsband.
    »Schlange-Kindchen, kann man dein Zelt ungefährdet betreten?« Grum öffnete die Zeltlasche nicht einmal weit genug, um ins Innere zu spähen.
    »Ja, wenn du dich nicht fürchtest. Soll ich sie fortpacken?«
    Grum zögerte. »Hm... nein.«
    Sie kam seitwärts durch den Zelteingang und schob die Lasche nach innen; sie hatte die Hände voll.Während ihre Augen sich auf die düsteren Lichtverhältnisse einstellten, stand sie völlig reglos.
    »Alles klar«, sagte Schlange. »Sie sind beide hier bei mir.«
    Grum blinzelte und trat näher. Sie legte neben den Packsattel eine Decke, einen Wasserschlauch, einen kleinen Kochtopf und eine lederne Tasche.
    »Pauli stellt Vorräte zusammen«, sagte sie. »All das kann den Verlust nicht ausgleichen, aber...«
    »Grum, ich habe bis jetzt noch nicht einmal für Eichhörnchens Unterhalt bezahlt.«
    »Das wirst du auch nicht«, antwortete Grum und lächelte. »Das habe ich dir ja schon erklärt.«
    »Für dich wäre das der schlechte Ausgang einer Sache, die mich nichts gekostet hat.«
    »Lassen wir‘s. Besuch uns im Frühjahr und schau dir die kleinen gestreiften Ponys an. Ich habe ein gutes Gefühl.«
    »Dann laß mich wenigstens diese Ausrüstung bezahlen.«
    »Nein, wir haben gemeinsam darüber gesprochen, und wir möchten dir diese Dinge schenken.« Sie hob ihre linke Schulter, wo sie geimpft worden war; wahrscheinlich war die Stelle inzwischen wund. »Um dir zu danken.«
    »Ich möchte nicht den Eindruck von Undankbarkeit erwecken«, sagte Schlange, »aber die Impfungen sind ein Dienst, für den Heiler gewöhnlich nichts nehmen. Niemand hier war krank. Ich habe für niemanden etwas getan.«
    »Niemand war krank, ja, aber wäre es jemand gewesen, hättest du ihm geholfen. Habe ich recht?«
    »Ja, natürlich, aber...«
    »Du tätest es auch, könnte derjenige dich nicht entgelten. Sollten wir an dir schlechter handeln? Sollen wir dich mit gar nichts hinaus in die Wüste ziehen lassen?«
    »Aber ich kann bezahlen.«
    Im Schlangenbehältnis verwahrte sie Gold- und Silbermünzen.
    »Schlange!« Grum schnitt eine finstere Miene, und unvermittelt war alle Freundlichkeit aus ihrer Stimme gewichen. »Wüstenbewohner stehlen nicht, und sie lassen ihre Freunde nicht bestehlen. Wir haben versagt. Nimm uns nicht unsere Ehre.«
    Schlange begriff, daß Grum nicht beabsichtigte, sich zur Annahme von Bezahlung überreden zulassen, es nie beabsichtigt hatte. Es bedeutete ihr viel, daß Schlange das Geschenk verstand. »Verzeih mir, Grum. Ich danke euch.«
    Die Pferde waren gesattelt und fertig zum Abmarsch. Schlange hatte den Großteil ihrer Ausstattung Wind aufgeladen, so daß Eichhörnchen nicht viel zu tragen brauchte. Der Sattel der Stute war trotz seiner reichen Verzierung und feinen Verarbeitung zur Gepäckbeförderung sehr nützlich. Er stand dem Pferd so gut, saß so bequem und war von so hervorragender Güte, daß Schlange allmählich etwas weniger Unbehagen wegen seiner Pracht empfand. Grum und Pauli hatten sich eingefunden, um sie zu verabschieden. Niemand hatte gegen den Impfstoff irgendeine krankhafte Reaktion gezeigt, so daß sie unbesorgt ziehen konnte. Sie schloß die beiden Frauen in die Arme. Grum küßte sie auf die Wange; ihre Lippen waren weich, warm und sehr trocken.
    »Leb wohl«, flüsterte Grum, als Schlange auf die Stute stieg. »Leb wohl«, wiederholte sie lauter.
    »Lebt wohl!«
    Schlange trieb die Stute an und drehte sich im Sattel, um zu winken.
    »Wenn die Stürme losbrechen«, rief Grum, »such dir eine Felsenhöhle. Vergiß nicht die Geländemarken, dann gelangst du schneller nach Berghausen!«
    Schlange lächelte, während sie unter den Bäumen dahinritt, Grums Ratschläge und Ermahnungen über Oasen und Wasser und das Zurechtfinden zwischen Sanddünen noch in den Ohren – Dinge über Windrichtungen, über Maßnahmen, wie Karawanenreisende in der Wüste ihre Siebensachen zusammenhielten, über Pfade, Straßen und Gasthäuser, die Schlange erreichen würde, sobald sie in den Mittelgebirgszug geriet, jene hohe Bergkette, welche die Wüste in einen östlichen und westlichen Teil spaltete. Eichhörnchen trottete an

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