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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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gefährlich ist. Aber trotz allem möchte ich dich lieber auf deinem Weg begleiten. Bitte laß mich nicht mit einem Fremden gehen.«
    »Bist du ganz sicher, daß du es so willst?« Melissa nickte. »Na schön«, sagte Schlange. Sie lächelte. »Ich habe nie vorher ein Kind adoptiert. Die Theorien sind nicht wie früher, wenn man sie anzuwenden beginnt. Gut, also reisen wir gemeinsam.«
    Insgeheim war sie stolz auf das grenzenlose Vertrauen, das Melissa zumindest ihr entgegenbrachte. Hand in Hand gingen sie durch den Korridor, ließen ihre Arme baumeln wie zwei Kinder, nicht wie ein Kind an der Hand einer Erwachsenen. Als sie um die letzte Ecke bogen, schrak Melissa plötzlich zurück. Vor Schlanges Tür hockte auf seinen prall gepackten Satteltaschen Gabriel, das Kinn auf seinen angezogenen Knien.
    »Gabriel«, sagte Schlange.
    Er blickte auf, und diesmal zuckte er bei Melissas Erscheinen nicht zurück. »Hallo«, sagte er zu ihr. »Es tut mir leid.«
    Melissa hatte sich Schlange zugekehrt, so daß ihre Verbrennung weitgehend verborgen war. »Schon gut. Macht nichts. Ich bin‘s gewohnt.«
    »Ich war gestern nacht noch nicht so richtig wach...«
    Gabriel sah Schlanges Miene und verstummte. Melissa blickte Schlange an, die ihre Hand drückte, dann Gabriel, zuletzt wieder Schlange.
    »Ich..., ich mache wohl lieber die Pferde fertig.«
    »Melissa...« Schlange wollte sie noch erhaschen, aber sie entwich. Schlange schaute ihr nach und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Gabriel erhob sich.
    »Es tut mir leid«, sagte er noch einmal.
    »Du hast ja den Bogen raus.« Sie ging ins Zimmer, nahm ihre Satteltaschen und warf sie aufs Bett. Gabriel folgte ihr hinein.
    »Bitte sei mir nicht böse.«
    »Ich bin dir nicht böse.« Sie öffnete die Taschen. »Gestern abend war ich es, aber ich bin es nicht länger.«
    »Da bin ich aber froh.« Gabriel setzte sich aufs Bett und sah zu, wie sie packte.
    »Ich bin bereit zum Abhauen. Aber ich wollte dir noch Lebewohl sagen. Und dir danken. Und dir sagen, daß es mir leid tut...«
    »Schluß jetzt damit.«
    »Na gut.« Schlange faltete ihre Wüstenroben zusammen und schob sie in die Satteltaschen.
    »Warum darf ich dich nicht begleiten?« Eifrig beugte sich Gabriel nach vorn, seine Ellbogen auf den Knien. »Es reist sich doch leichter, wenn jemand zum Unterhalten dabei ist, als allein.«
    »Ich bin nicht allein. Melissa begleitet mich.«
    »Oh.« Sein Ton verriet Gekränktheit.
    »Ich adoptiere sie, Gabriel. Berghausen ist nicht die richtige Umgebung für sie
    – so wenig wie für dich. Ihr kann ich helfen, für dich kann ich nichts tun. Außer dich von mir abhängig machen. Aber das möchte ich nicht. Ohne Freiheit wirst du deine Stärken niemals entdecken.«
    Schlange nahm den Beutel mit ihrem Zahnreinigungspulver, dem Kamm, ihrem Aspirin und der Seife, stopfte ihn in die Satteltaschen, schloß die Schnallen und setzte sich. Sie ergriff Gabriels sanfte, kraftvolle Hand.
    »Hier macht man‘s dir zu schwer. Ich könnte dir alles zu leicht machen. Weder das eine noch das andere ist richtig.«
    Er hob ihre Hand und küßte sie, den sonnengebräunten, narbenübersäten Handrücken ebenso wie die Handfläche.
    »Siehst du, wie schnell du lernst?« Sie strich mit der anderen Hand über sein feines, helles Haar.
    »Werde ich dich jemals wiedersehen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Schlange. »Wahrscheinlich nicht.« Sie lächelte. »Es wird
    auch nicht nötig sein.« »Aber es würde mich freuen«, sagte er nachdenklich.
    »Zieh hinaus in die Welt«, sagte Schlange. »Nimm dein Leben in deine Hände und mach daraus, was du willst.«
    Er stand auf, beugte sich herab und küßte sie. Als sie sich aufrichtete, erwiderte sie seinen Kuß zärtlicher, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte, und insgeheim wünschte sie sich, sie besäßen mehr Zeit füreinander, hätten sich erst in ungefähr einem Jahr kennengelernt. Sie spreizte auf seinem Rücken die Finger und verwandelte die Umarmung in ein Ansichdrücken.
    »Leb wohl, Gabriel.«
    »Leb wohl, Schlange.« Leise schloß sich hinter ihm die Tür.
    Schlange ließ Dunst und Sand aus der Schlangenschachtel, damit sie vor Antritt der langen Reise noch ein bißchen Bewegung erhielten. Sie krochen über ihre Füße und glitten um ihre Beine, während sie zum Fenster hinausschaute. Nach einiger Zeit klopfte jemand an die Tür.
    »Einen Moment.«
    Sie ließ Dunst an ihrem Arm auf ihre Schultern hinauf kriechen und nahm Sand in beide Hände. Nicht lange, und

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