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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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meiner Seite fühlte ich mich sogar so sicher, dass ich darauf verzichtete, das Licht anzuschalten. Nur mit der kleinen Taschenlampe, die ich nach dem Schwimmbad-Unfall an mein Schlüsselbund geklemmt hatte, bewaffnet, schlichen wir an der verbarrikadierten Wohnzimmertür vorbei nach oben und in mein Zimmer.
    Dort schaltete ich das Licht an, und Daria sank augenblicklich auf mein Bett, ihre langen, blonden Haare durch einen willkürlichen Scherz des Universums wie ein Heiligenschein aufgefächert.
    »Hat der gutaussehende Kerl auch einen Namen?«
    »Elijah.«
    »Und weiter?«
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch.
    »Jaro.«
    »Und Mister Superheiß Jaro geht ganz zufällig auf deine Schule?«
    »Ganz zufällig ja.«
    »Seid ihr zusammen?«
    «Nein.«
    »Willst du?«
    »DAS weiß ich selbst nicht so richtig.« Ja, Scheiße! Hätte er gelogen und nicht die Wahrheit gesagt, WÄREN wir jetzt zusammen …
    Daria setzte sich auf, zerstörte dabei ihren blonden Heiligenschein und sah mich diabolisch an. »Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.«
    Mein Blick wanderte zu ihrem Rucksack, und ich war versucht, zum zweiten Mal an diesem Abend herzhaft zu seufzen. Aber es half nichts. Wenn Daria an einer Sache Interesse gefunden hatte, würde sie sich nicht eher ablenken lassen, bis ihre Neugierde befriedigt war. Also erzählte ich alles von meiner Ankunft im Hause de Temples bis zum Jetzt-Stand und ließ nichts aus. Naja … fast nichts. Die merkwürdige Anziehung, die Jonah auf mich ausübte, ließ ich weg. Wegen Unwichtigkeit … Flöt … Ne ist klar … Naja, und das ich irgendwie immer noch in David verknallt war, behielt ich auch für mich. Manche Dinge waren auch einfach zu peinlich, um sie zu teilen. Was sollte ich sagen? Wahrheit war eben nicht meine Stärke. »Zufrieden?«
    »Nein, du hast ein Rad ab.« Sie reichte mir die Tagebücher. »Wenn mich so ein schnuckeliger Typ küssen will, dann küsse ich ihn. Und wenn er keine ernste Beziehung will, umso besser, ich will ja auch keine.«
    »Und da haben wir auch schon den Unterschied zwischen uns.« Ich sortierte die Bücher chronologisch. »Ich will NUR etwas Ernstes.«
    »Naiv«, murmelte Daria und stand auf, um den Inhalt meines Regales zu begutachten. Ich schlug die erste Seite auf und las den ältesten Eintrag.
    »Morton Harket? Du hörst den Solo?«
    Ich nickte und versuchte mich auf die krakelige Kinderschrift zu konzentrieren, die von den Weihnachtsvorbereitungen schrieb.
    »Wow, damit hast du deine Eintrittskarte in meinen Freundeskreis verspielt.«
    »Banause!«
    Seite 2, immer noch Weihnachten.
    »Tom Waits und Jace Everett? Meine Fresse … da ist sie in der großen, weiten Freiheit und hört so einen Kram.«
    »Sag ich doch, Banause!«
    Ich blätterte um und Daria schnaubte.
    »Du hast Peter Fox?«
    »Nein, nur seine CD«
    »Die ist bei uns auf der schwarzen Liste, weckt angeblich den Freigeist!«
    Ich gab auf, erhob mich wieder und nahm ihr die nächste CD weg, die sie aus dem Regal gefischt hatte. »Dann halte dich erst Recht von »Unheilig« fern, du Freigeist.«
    Daria gab kampflos auf und zog stattdessen eine DVD aus dem Ständer und drehte sie so, dass ich das Cover sehen konnte. »Die Vampire Diaries. Bist du irre? Psychopathen sollten so was nicht schauen!«
    Ich ließ mich neben ihr auf das Bett fallen und lachte, bis mir die Luft wegblieb. Beinahe hatte ich vergessen, wie es war, echte Freunde zu haben. Welche, denen man bedingungslos vertrauen konnte.

    Erst zwei Stunden später, als Daria eingeschlafen war, setzte ich mich wieder an den Schreibtisch und überflog meine Tagebücher. Das meiste von den Geschehnissen und Gedanken hatte ich vergessen. Aber wer erinnert sich mit 16 noch daran, was er mit 8 in sein Tagebuch geschrieben hat – geschweige denn daran, dass er oder sie überhaupt eines gehabt hatte?
    Ich las belanglose Bemerkungen über das Mittagessen, Geschichten über Freundinnen, die ich längst nicht mehr kannte, Listen von Wünschen, die sich nie erfüllt hatten und kleine Belanglosigkeiten, die mehr Erinnerungen frei setzten, als mir lieb war.
    Als ich endlich, im letzten Buch, fand was ich suchte, war ich beinahe enttäuscht darüber, dass der Einblick in die Person, die ich einmal gewesen war, nun der Vergangenheit angehörte. Ebenso wie die Hoffnungen, Träume und Zukunftspläne meines jungen Alter Egos.
    Den Besuch bei meinem »Opa« hatte ich nur in rudimentären Stichpunkten festgehalten. Aber sie reichten, um mir

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