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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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die Bilder wieder vor Augen zu führen. Die unheimlichen Schatten in seinem Haus, die seltsamen Geräusche in den Wänden, die folgenden Albträume und die merkwürdige Uhr, die mein Dad seinem Vater fast an den Kopf geworfen hatte. Nachdenklich blätterte ich zwei Seiten zurück und las den Eintrag noch einmal. Oh verdammt!
    Es stand nicht explizit dabei, aber das tolle und unerwartete Geburtstagsgeschenk von »Opa« konnte ja eigentlich nur die Uhr gewesen sein. Vor allem, wenn man in Betracht zog, dass ich ein dusseliges Pferd daneben gemalt hatte. Die Zeichnung selbst war ungewöhnlich gut – damals hatte ich Pferde geliebt. Aber da wusste ich ja auch noch nicht, dass ich im Alter von 12 Jahren bemerken würde, was für strunzdumme Viecher das eigentlich waren – strunzdumme Viecher mit einem Gewicht von mindestens 500 Kilogramm und einer Zugkraft von 735,49875 W. Ich schlug das Buch zu und starrte das Pferd auf der Uhr feindselig an. Manche Dinge vergaß man einfach nicht. 20 Meter lang mitgeschleift zu werden, immer in der Nähe von vier Hufen zum Beispiel – psychosefördernde Begegnungen mit unheimlichen Großvätern in Spukhäusern und Nachtmahrgeschenken zum Beispiel doch.
    Ich … Nachtmahr? … hatte ich eben Nachtmahr gedacht? War das nicht irgendwas mit Albträumen? Hastig griff ich nach dem Lexikon und suchte den Begriff.
    »Ein Bild von Johann Heinrich Füssli«, las ich leise und betrachtete den Abdruck. Ein Pferd – vermutlich so strunzdumm wie das auf dem Saint Blocks Campus – sah mir entgegen. Eine unheimliche Spuk-Mähre, vermutlich der nette Bruder meines Uhrenpferds.
    »Nachtmahr ist der veraltete Begriff für einen Albtraum. Das Wort »mahr« leitet sich von dem Germanischen »mer« und dem angelsächsischen »mare« ab und findet sich auch in dem englischen Wort »nightmare« wieder.
    Der »Alp oder »Alb« (auch »Drud« oder »Schrättli«) selbst ist eine Form der Schreckgespenster, die für die schlechten Träume verantwortlich sind. Anders als Mahre, die die Träume der Mythologie zufolge nur transportieren, setzt sich der Alp auf sein Opfer und flößt ihm durch den so entstehenden Druck auf dem Körper Angst ein. In Sagen und Legenden plagt der Alp sein Opfer so oft bis zur völligen Erschöpfung. In der Regel ist er aber eher harmlos. In manchen dieser Geschichten hat die Mahr sogar einen erotischen Charakter. Dann wird von sexuellen Handlungen zwischen dem Träumenden und dem Traumwesen berichtet.
    Für gemeinhin kann es sich bei einer Mahr um Pferde oder andere Tiere handeln, sie treten als kleine, schwarze Wesen auf, als Strohhalme, Schatten oder ganz gewöhnliche Menschen. Oft können sie ihre Gestalt wechseln, durch Schlüssel- oder Astlöcher überall eindringen oder gar durch Wände gehen. Die Grenze zu Hexen und Gespenstern ist fließend.«
    Na super! Ich klappte das Lexikon zu. Super! Vielleicht kamen meine Albträume ja von so einem Gruselviech. Ich fuhr mir durch die Haare und ergänzte: oder dem Opa, oder Dads Verhalten, oder dem Beinahe-Ertrinken … woha! Bei der Liste wäre es ja ein Wunder, wenn ich schöne Träume hätte.
    Apropos Träume. Ich schlug das letzte Tagebuch noch einmal auf und verglich das Datum mit dem der Zeitungsartikel. Ja, zur Zeit der damaligen Vorfälle hatte ich die Uhr gehabt.
    Allerdings machte der Vergleich der Daten meine Theorie kaputt. Die Uhr hatte nichts damit zu tun, denn die hysterische Epidemie war nicht abgeklungen, als mein Vater sie »zurückgegeben« hatte.
    Verdammt!
    Wieder betrachtete ich das Datum, an dem alle betroffenen Mädchen zeitgleich erwacht waren, und plötzlich begriff ich. Mir wurde eiskalt. Mit zittrigen Fingern griff ich nach der Postkarte, die meine Eltern und mich vor dem Umzugswagen zeigte – das Datum war eindeutig dasselbe.

    Bis vor einer Sekunde hatte ich noch gedacht, ich würde nie wieder ruhig schlafen können – oder überhaupt schlafen. Aber ich hatte mich getäuscht. Ich wusste, dass ich schlief, weil ich eben noch gedacht hatte, ich würde nie wieder ruhig schlafen … und … hei! Hatte ich das nicht auch schon einmal gedacht?
    Verwirrt sah ich mich um, und die Party, auf der ich mit Elijah tanzte, während sich im Hintergrund Jonah und David prügelten, verblasste. Ich klammerte mich an meinem Begleiter fest und tatsächlich gelang es mir, ihn in die nächste Szenerie hinüber zu retten, wo wir wieder schräg vor dem Haus de Temples standen. Zurückgesetzt in die real geschehene

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