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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Unterricht machte, dann starrte ich wieder vor mich hin. Plötzlich wünschte ich mir, die Stunde würde wieder so unspektakulär dahinplätschern wie am Montag. Aber das war reines Wunschdenken, die Unruhe war unterschwellig und ließ niemanden wirklich zur Ruhe kommen. Ich veränderte meine Position auf dem Stuhl. Er hatte sich in den letzten Minuten in ein unbequemes Ungetüm verwandelt. Und auch das Klingeln, sonst eine Erlösung, war schriller als sonst. Es brachte mich dazu, mir die Ohren zuzuhalten; aber der Ton hallte sogar in meinen Zähnen wider. Danach hörte ich einen Moment lang nichts. Ich war wie in einer Wattewolke, und es gab nur noch ein leises, statisches Rauschen. Schüler sprangen auf, packten ihre Sachen, bildeten Grüppchen. Niemand schien allein sein zu wollen. Münder bewegten sich, aber da war nichts. Kein echter Ton in meiner Welt.
    Rebecka berührte mich, und plötzlich kehrte das Hören zurück. Wie ein Schlag vor den Kopf. Ich blinzelte.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich habe irre Kopfschmerzen«, presste ich hervor.
    »Möchtest du eine Tablette?«
    »Das wäre himmlisch!«
    Rebecka benötigte zwei Griffe, um eine kleine Schachtel aus ihrer Tasche zu zaubern und eine Pille aus der Hülle zu pulen. »Die sind ziemlich stark und helfen auch bei Migräne.«
    Dankbar nahm ich das weiße, runde Teil entgegen und ging zum Spülbecken, während Rebecka auf mich wartete.
    »… ist das nicht wirklich ein Traumtyp?«
    Ich beugte mich näher zum Wasserhahn und war dankbar, dass das Wasser nicht nur den überraschend ekeligen Geschmack der Tablette fortspülte, sondern auch die Ausführung von Jessica, die ohnehin für Rebecka bestimmt war. Es konnte nur um einen der Schulschönlinge gehen. Meinen Bruder, Elijah oder im schlimmsten Falle um Jonah. Also um nichts, womit ich mein Gehirn noch zusätzlich belasten wollte.
    »Wie versprochen halten wir euch auf dem Laufenden: Obwohl die Ärzte immer noch im Dunkeln tappen, haben wir uns für euch schlau gemacht. Der Zustand unserer Moderatorin Chris ist unverändert und könnte sich mit verschiedenen Krankheiten erklären lassen …«
    Ich folgte der Sendung mit halbem Ohr und ganzen Kopfschmerzen und fragte mich, wer wegen seiner Thesen zu Koma, Wachkoma und einem Hirnaneurysma mit anschließendem »Locked-in«-Syndrom wohl Chris` Job bekommen hatte. Schließlich hatte die angenehme, weibliche Stimme keine neuen Informationen, sondern sprach nur um des Sprechens willen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, als würde Wachkoma an einer Erinnerung kratzen. Wie ein Begriff, mit dem man sich schon einmal beschäftigt, dann aber wieder vergessen hatte. Aber mal ehrlich, wann sollte ich mich mit Wachkoma beschäftigt haben?
    »Hei Ladies, sehen wir uns heute?«
    Elijahs angenehme Stimme schreckte mich aus meinen Gedanken und lenkte meinen Blick vom Schulradio auf die zur Stimme gehörige Person. Beinahe schlagartig hatte der Stufensprecher meine 100% Aufmerksamkeit. Aber nicht nur in dieser Hinsicht war er ein Phänomen, sondern auch in Bezug auf meine Neugierde. Wie schaffte er es bloß, Rebecka, Jessica und mich exakt gleich lange anzusehen? Lange genug, damit sich jede von uns Hoffnung machen konnte. Die kurze Musterung und das darauf folgende, strahlende Lächeln inklusive. Bei wem auch immer Elijah gelernt hatte, er war gut. Unheimlich gut.
    Sogar gut genug, um nicht irritiert zu sein, als ich nicht zurücklächelte. »Kommst du zum Sondertraining?«
    Erst jetzt fiel mir ein, dass Rebecka mir vorhin, in der Weißen-Watten-Phase etwas in der Richtung erzählt hatte. Nur für die Favoriten …
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich muss noch etwas Dringendes für die Schule recherchieren …« Das war glatt gelogen. Aber mir würde schon noch etwas einfallen, was ich recherchieren konnte, um nicht mit Elijah zusammen in einem Raum – geschweige denn in einem Schwimmbad – sein zu müssen.
    Für einen Moment sah er so enttäuscht aus, dass ich es beinahe persönlich genommen hätte.
    »Miss de Temples ?« Simons rief mich, und die Dreiergruppe überließ mich meinem Schicksal. Während sie vorgingen, schritt ich zurück zum Lehrertisch. »Ist alles klar, du siehst sehr blass aus.«
    »Ich habe Kopfschmerzen wie verrückt.«
    »Seit wann?«
    Ich dachte kurz über die Frage nach. Die Antwort war nicht sehr schmeichelhaft. Ich gab sie ihm trotzdem: »Seit dieser Schulstunde.«
    »Oh.« Simons wirkte kurz enttäuscht. Weil er mir mehr Schmerzen wünschte,

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