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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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oder weil ich ehrlich geantwortet hatte, wollte ich lieber nicht wissen. »Geht zur Schulkrankenschwester.«
    »Rebecka hat mir gerade eine Migränetablette gegeben. Wenn die nicht wirkt, werde ich das machen.«
    »Klingt wie ein Plan!« Simons lächelte mich an und wirkte wieder gut gelaunt, wie eh und je. »Und bei Doktor Slater hast du ja jetzt auch ein bisschen Ruhe vor dem Aufruhr.«
    »Ja.«
    »Ist er okay?«
    »Ja.« Ich wunderte mich, wieso ich so schnell geantwortet hatte. Und dann auch noch ehrlich.
    »Und das Schwimmen?«
    »Prima! Das war eine tolle Idee.«
    »Was sagt David dazu?«
    »Was soll David schon dazu sagen, er spricht so gut wie nie mit mir.«
    »Oh!«
    Ja, oh!
    »Hat sich noch was mit Jonah ergeben?«
    »Nein, alles ruhig und entspannt an der Jonahfront.« Eine glatte Lüge, aber sie ging dem kleinen Teufelchen in mir ruhig von der Zunge. Eher würde ich der Großmutter desselbigen drei goldene Haare klauen, als zuzugeben, dass Jonah mir immer noch Angst machte und immer noch irgendwas vorhatte.
    »Und die Uhr?«
    Simons Tonfall und Miene waren so unbeteiligt, dass es schon wieder auffallend war. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Agentenfilm, wo der gesamte gefakte Small-Talk nur einer einzigen Frage diente.
    Deswegen antwortete der Teufel aus meinem Inneren laut: »Weggeworfen«.
    Simons sah mich lange an, als versuchte er die Wahrheit zu ergründen. Aber der Teufel war wirklich gut und hielt seinem Blick ungerührt stand.

    Der Teufel war immer noch da, als ich längst in Doktor Slaters Zimmer wartete. Er brachte mich dazu, nach meiner Akte zu greifen und sie aufzuschlagen. Schließlich – so Ansicht des Teufels – lag sie ja nicht zufällig so demonstrativ in der Mitte des Tisches. Ich für meinen Teil überlegte inzwischen ernsthaft, ob ein Exorzismus eine Alternative für mich wäre.
    Natürlich las ich trotzdem Slaters Einträge zu meiner Persönlichkeit: Liz ist misstrauisch bis paranoid. Sie stößt alle von sich und handelt nach dem Prinzip: Verletze, bevor du verletzt wirst. (Was im Übrigen auch eine prima Erklärung für mein Verhalten gegenüber Klaus ist.) Sie ist sehr intelligent, sehr allein und emotional fragiler, als sie zugibt.
    Das war beinahe treffender, als mir lieb war.
    Ich sah auf, als Slater den Raum betrat, legte die Akte aber nicht hastig weg, sondern gab sie ihm.
    »Und?«
    »Sie sind ein ziemlich guter Beobachter.«
    »Dafür werde ich bezahlt.«
    »Sie haben meine Doraphobie vergessen.«
    »Angst vor Haaren?«
    »Fell.«
    Slater zog eine Augenbraue hoch und betrachtete mich nachdenklich. »Irgendwie ist mein Leben schwerer geworden, seitdem Schüler sich ihre eigenen Diagnosen im Internet zusammensuchen.«
    »Ernsthaft?! Ich habe Panik vor Fell, kann es nicht ausstehen oder berühren.«
    »Und ein Nacktmull oder Katzen ohne Fell?«
    »Finde ich Scheiße.«
    »Vielleicht liegt es gar nicht am Fell?«, schlug Slater vor. Kurz schloss ich die Augen und überlegte. Doch, doch. Es waren das Fell und flauschig weiche kurze Haare. Sie verfolgten mich nachts in meinen Alpträumen, durch ein finsteres Spukhaus, gehörten zu unbekannten Lebewesen, zu undefinierbaren Schatten. Sie jagten mich, umkreisten mich, flüsterten mir Dinge zu, und schließlich waren sie mir so nahe, dass ich das Fell und die Haare spüren konnte. Auf meiner bloßen Haut.
    Unwillkürlich strich ich über die Brandnarben auf meinem linken Arm. Von DIESEM Fell konnte ich Slater nichts verraten. Wollte es nicht. Schließlich war das alles nie geschehen und nur ein Alptraum.
    Slater ahnte nichts von meinem Gedanken und schwieg gerade lange genug, um die Stille unangenehm werden zu lassen. Dann brach er sie: »Hast du schon Freunde gefunden?«
    »Ich habe gar keine gesucht.« Und die Wahrheit war, dass ich sogar die, die mir zufällig zugelaufen waren, abblockte. Aber das wusste Slater ja bereits, kein Grund, es noch einmal zu erwähnen.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht weiß, wie lange ich noch hier bin.«
    »Du hast Angst, etwas Falsches zu tun und wieder von der Schule zu müssen?«
    »Nein … Ich habe Angst davor, nichts Falsches getan zu haben und wieder zurück zu müssen.«
    Slater schwieg, ein betroffener Zug hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet. Offenbar waren ehrliche Patienten für einen empathischen Doktor genauso anstrengend wie Lügner.
    »Hast du mit deinen Stiefeltern über deine Ängste geredet?«
    »Nein, und ich muss Sie bitten, es ebenfalls nicht zu tun.« Ich sah zu

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