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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Worte zu unterstreichen, ging genau in diesem Moment das Licht aus. Schlagartig wurde aus dem hellen, freundlichen Raum ein dunkles Loch. Nur die Hand, die ich mir selbst auf den Mund presste, verhinderte, dass ich wie am Spieß zu schreien anfing. Ich schloss die Augen, doch die äußere Dunkelheit hatte ihren Weg bis in mein Innerstes gefunden und lauerte mit Vorstellungen von unheimlichen Schatten auf mich. Meine Narbe begann zu prickeln. Dieses Mal schmerzhaft. Als mich etwas an der Schulter streifte, zuckte ich zusammen. Erst dann begriff ich, dass es Rebecka war, die nach mir getastet hatte. Nun fand sie, wie sehend, meine Hand und drückte sie stumm.
    Ihre Berührung gab mir genug Sicherheit, um die Augen wieder zu öffnen. Dass ich nun tatsächlich einzelne Schemen ausmachen konnte, war keine Verbesserung.
    Ein Geräusch aus Richtung der Duschen ließ mich zusammenzucken. Es klang, als würde sich ein Ungeheuer durch das Abflussrohr ins Freie kämpfen.
    »Raus hier!« Rebecka flüsterte so leise, dass ich sie kaum hören konnte, während sie mich Richtung Ausgang schob. Die Tür war abgeschlossen.
    »Shit!«
    »Ja, Shit!« Ich zitterte wie Espenlaub, gefangen inmitten von immer unheimlicher werdenden Schatten, die selbst in der Dunkelheit finster wirkten. Dass sie vermutlich meiner Einbildung entsprangen, half kein bisschen.
    »Alles wird gut.« Anscheinend konnte Rebecka in der Dunkelheit wesentlich besser sehen als ich, denn ohne irgendetwas umzulaufen führte sie mich zur zweiten Tür – Richtung Schwimmhalle.
    Das Geräusch hinter uns wurde lauter, aggressiver und irgendetwas kratzte von außen an der Tür zur Umkleide. Doch es waren nicht die Geräusche, die mir zusetzten, es war die Dunkelheit.
    »Ganz ruhig.« Abermals drückte Rebecka meine Hand. Obwohl ich fühlen konnte, wie ihr Puls raste, verhinderte ihre Stimme, dass ich tausend Tode starb, während ich von ihr geführt und leise wie die Nacht durch unzählige finstere Gänge huschte. Nicht einmal hielt ich an oder sah zurück. Zu tief saß die Gewissheit, dass es die Dunkelheit selbst war, die hinter mir her war und mich erwischen würde, wenn ich mich umsah.

    Ich zitterte immer noch wie Espenlaub, als mir Elijah einen Becher mit Tee in die Hand drückte. Er war so heiß, dass er einem normalen Menschen vermutlich die Finger verbrannt hätte. Ich hingegen klammerte mich mit beiden Händen fest an das Porzellan, in der Hoffnung die Wärme würde die Kälte aus meinen Adern vertreiben. Vergeblich, denn weder der Lärm der anderen Schüler, noch die Sonne, die unseren Sitzplatz auf dem Schulhof erhellte, drang so weit in mein Inneres. Die Finsternis war immer noch in mir.
    »WAS zum Teufel ist mit dir los?« Rebecka schnipste mit den Fingern direkt vor meiner Nase und hatte Glück, dass ich mich immer noch wie gelähmt fühlte. Meine Energie reichte gerade noch dafür, ihre Hand zur Seite zu schieben.
    »Ich habe Angst vor der Dunkelheit.«
    »Viele Leute haben Angst im Dunkeln.« Elijah setzte sich neben mir auf die Bank, und einen Moment lang war ich versucht mich an ihn zu kuscheln.
    »Ich habe keine Angst IM Dunkeln, ich habe Angst VOR der Dunkelheit«, korrigierte ich, als erkläre das alles. Doch nicht einmal ich selbst war mir sicher, was ich damit eigentlich meinte. Kein Wunder, dass mich Rebecka musterte als hätte ich einen Vollschatten.
    »Wer weiß das?«
    »Jonah und David und jetzt ihr beide.«
    »David!« Rebecka spie den Namen meines Stiefbruders förmlich aus, und ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass sich ihr Manchmal-Freund auf ein Donnerwetter einstellen konnte.
    »Stück Pizza?« Elijah versuchte auf ein harmloses Thema zu lenken und deutete auf seinen Teller. Irgendwie war es ihm gelungen, der Mensaaufseherin mehr als eine große Ecke abzuluchsen. Genug für uns alle. Der Geruch war verlockend und weckte meinen inneren Antrieb. Im letzten Moment fiel mir Klaus` Warnung ein. War er noch paranoider als ich, oder war vielleicht doch etwas an seiner Mutmaßung dran? Nach dem Erlebnis in der Umkleide war ich mir meiner ursprünglichen Meinungen nicht mehr hundertprozentig sicher – und wie gut kannte ich Elijah schon?
    Ich warf ihm einen Seitenblick zu und schauderte, weil er schon wieder diesen seltsamen, traurig-verbitterten Ausdruck in seinen Augen hatte. Wie so oft, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Wen kannte ich überhaupt gut? Elijah schien trotz seines Wesen redlich zu sein – auf seine ganz eigene Art

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