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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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fehlen.«
    Er betrachtete das große dunkelhäutige Mädchen in der Tür und bemerkte, daß sie die Haare mit einem Band zurückgebunden hatte. Das hatte Sarah noch nie getan. Er dachte daran, wie sie jeden Morgen unten am Fluß saß, wenn er mit den Arbeitern dort erschien. Sie blieb immer in der Nähe und war unter den Eukalyptusbäumen beinahe nicht zu sehen. Sie beobachtete ihn bei der Arbeit und blieb bis zum Sonnenuntergang, wenn er sein Werkzeug zusammenpackte und wieder ging.
    »Das tut mir leid«, sagte sie.
    Er sah sie fragend an.
    »Ich meine, daß es Ihrer Mutter nicht gutgeht.«
    »Es ist nett von dir, das zu sagen.« Er legte ein Hemd in den Koffer. »Was ist mit deinen Eltern, Sarah? Du hast nie von ihnen gesprochen.«
    Sie stand noch immer in der Tür, als habe sie Angst, die Schwelle zu überschreiten.
    »Hast du deine Eltern gekannt?«
    »Mein Vater war ein Weißer«, antwortete Sarah ruhig. »Er hatte eine Farm. Man hat mir erzählt, er wollte eine Frau. Man hat mir erzählt, er hat meine Mutter geraubt. Sie mußte bei ihm auf der Farm leben, und dann ließ er sie wieder gehen.«
    Sarahs Stimme klang sanft in der morgendlichen Stille. Philip bewegte sich nicht. Er hatte noch immer das Hemd in der Hand.
    »Meine Mutter kehrte zu ihrer Sippe zurück«, fuhr Sarah fort, »aber ihre Leute sagten, sie sei tabu. Man vertrieb sie aus dem Lager. So kam sie in das Missionsdorf. Dort wurde ich geboren.«
    »Was ist aus ihr geworden?«
    »Sie machte sich auf den Weg. Sie ist nie zurückgekommen.«
    Er sah Sarah schweigend an, dann legte er das Hemd auf das Bett. »Komm, ich bring dich nach Hause.«
    Sie gingen hinunter zum Stall, wo seine Stute bereits gesattelt war. McNeal saß auf und streckte die Hand nach Sarah aus. Sie zögerte.
    »Hast du noch nie auf einem Pferd gesessen?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Hab keine Angst«, erwiderte er und lächelte. »Ich werde aufpassen, daß dir nichts geschieht. Stell den Fuß auf meinen hier im Steigbügel. So.«
    Er zog sie hoch. »Jetzt leg die Arme um meine Hüfte.«
    Sie hielt sich an ihm fest, während sie durch den sonnigen Morgen ritten, vorbei an den grünen Wiesen und Weiden mit den weißen, wolligen Schafen. Aber Sarah schloß die Augen und legte das Gesicht an seinen Rücken. Sie fühlte, wie der Wind in ihren Haaren wehte und spürte Philips Herzschlag unter ihren Händen. Bald galoppierten sie. Sarah warf den Kopf zurück und überließ sich der Kraft des Pferdes. Sie schloß die Arme fester um Philip. Sie wollte mit ihm an Merinda vorbeireiten bis zum Horizont und noch weiter. Sie wollte nie wieder zurück.
    Aber dann erreichten sie den Hof. Philip sprang als erster ab und half Sarah beim Absitzen.
    »Ich möchte dir das schenken«, sagte er und nahm den silbernen Armreif vom Handgelenk, »als Erinnerung an mich«, fügte er hinzu und gab ihr den Reif.
    Sarah betrachtete die leuchtend grünen Steine. »Wann werden Sie zurückkommen, Philip McNeal?«
    Er sah sie erstaunt an. Sie hatte noch nie seinen Namen ausgesprochen. »In sechs Monaten vielleicht«, erwiderte er, »spätestens in einem Jahr. Aber ich komme wieder. Dann bist du erwachsen, und viele Männer werden dir den Hof machen. Dann hast du keine Zeit mehr für einen alten Mann wie mich.«
    Er zog sie an sich und umarmte sie. »Gott sei mit dir, Sarah«, sagte er und küßte sie auf die Stirn.
    Sarah blickte ihm nach, als er aus dem Hof ritt, und sie dachte an den Tag, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte – unten am Fluß, an den heiligen Felsen. Damals hatte er sich bereit erklärt, das Haus nicht an der geweihten Stätte zu bauen. Sie dachte an die vergangenen sechs Monate. Sie erinnerte sich daran, daß Philip ihr von Menschen erzählt hatte, die ebenfalls in Sippen lebten und auch von Totem-Ahnen abstammten. Sie sah ihn vor sich, wie er mit den Arbeitern lachte, wenn sie die Fundamente aushoben oder Beton mischten. Er saß mit seinen Leuten im Gras und aß zusammen mit ihnen. Er erzählte von seinen Reisen durch Amerika. Sie hatte beobachtet, wie genau er seine Aufgabe nahm, wie intensiv er sich mit den Plänen beschäftigte, mit Hugh Westbrook redete, jeden Zentimeter des Bodens untersuchte, die Arbeiter etwas neu machen ließ, wenn es nicht richtig war. Dabei kritisierte er sie nie, sondern zeigte ihnen, wie es gemacht wurde. Und oft wanderte sein Blick zu Sarah. Er lächelte ihr zu, wenn sie ihn von den Bäumen aus ansah …
    Und während sie nun im Hof stand, und

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