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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sechseinhalbjährige Tochter, die braun wie die Rinde der Bäume im See planschte und mit dem halbblinden Knopf, einem Hirtenhund, spielte. Joanna und Hugh hatten ihre Tochter Elizabeth nach Hughs Mutter getauft. Aber Joanna und Sarah nannten sie Lisa; für Hugh und Adam war sie Lizzie. Es war ein kräftiges Kind, robust und ausdauernd – wie die Eukalyptusbäume, dachte Joanna manchmal, die auf Merinda wuchsen. Und man sah sie nie ohne den allgegenwärtigen Knopf. Vor zwei Jahren hatte die kleine Lisa erreicht, daß ihm das übliche Schicksal der Hütehunde erspart blieb, denn wenn ein Hund nicht mehr nützlich war, bekam er eine Kugel in den Kopf. Lisa bat um sein Leben, Hugh ließ sich erweichen, und seitdem war Knopf ihr ständiger Spielkamerad. Adam war gerade dreizehn geworden. Er saß im Schatten eines Baumes und malte mit Wasserfarben. Er wird ein hübscher Junge, dachte Joanna. Er hatte die Augen der Westbrooks und Hughs ernste, attraktive Falte zwischen den Augenbrauen. Aber er besaß nicht dessen Robustheit, eher das sanftere Wesen eines Denkers. Alles in der Natur faszinierte Adam – Vögel und Insekten, Steine und Pflanzen. Nach der Lektüre von Darwins
Die Entstehung der Arten
hatte er erklärt, er wolle Naturwissenschaftler werden. Deshalb hatte er sich zu einem besonderen Lehrprogramm an der höheren Schule in Cameron Town angemeldet. Der Unterricht würde im nächsten Monat beginnen.
    Kein Tag verging, an dem Joanna sich nicht über die beiden Kinder freute. Und über diese überwältigende Liebe, die sie für sie empfand! Als Joanna mit Lisa schwanger war, hatte sie damit gerechnet, die Liebe einer Mutter für ihr Kind zu empfinden. Aber als sie dann ihr Töchterchen zum ersten Mal in den Armen hielt, war sie sprachlos über die Intensität und die Unmittelbarkeit dieser Liebe. Und wie war es möglich, daß sie noch zunahm, dachte sie oft, wenn sie die schlafende Lisa betrachtete, oder wenn die Kleine sich stirnrunzelnd mit einem Buch beschäftigte. Wie konnte ein menschliches Herz die ständig wachsende Liebe ganz in sich aufnehmen? Jetzt verstand Joanna die andere Seite der Mutter-Tochter-Beziehung. Jetzt wußte sie, welche Liebe Lady Emily für sie empfunden haben mußte.
    Aber das Glück war bedroht. Während Joanna zusah, wie Lisa mit Knopf im See herumplanschte, wuchs ihre Entschlossenheit: Sie würde ihre Tochter vor dem Erbe der Angst und des Todes schützen! Keine Regenbogenschlange, kein Gift-Gesang sollte diesem wunderbaren Kind etwas zuleide tun.
    Joanna sah Hugh durch den Wald kommen. Er unterhielt sich mit einem anderen Mann. Hugh sah nicht so aus, als werde er in einem Jahr bereits vierzig. In der staubigen Hose, dem Flanellhemd und dem breitkrempigen Hut wirkte er eher wie der faszinierende Held seiner letzten Ballade: ›Nur ein Baum.‹
    Sarah stieg vom Wagen und lief zu den Kindern. Joanna sah, daß Hugh sich mit dem Architekten Mr. Hackett unterhielt. Sie spürte von weitem die große Spannung, unter der Hugh stand, und dachte an seinen Wunsch, den er vor kurzem geäußert hatte, nach Queensland zu reisen und ›den Spuren seiner Jugend‹ zu folgen. ›Nur ein Baum‹ war zwar ein großer Erfolg gewesen, aber Hugh hatte die Ballade vor vier Jahren geschrieben und seitdem nichts mehr. »Ich möchte nach Queensland zurück«, hatte er plötzlich eines Abends gesagt. »Ich weiß nicht, warum. Vielleicht liegt es daran, daß ich bald vierzig werde und erkenne, daß meine Jugend vorüber ist. Auf jeden Fall sehne ich mich in letzter Zeit nach Queensland. Ich möchte dich mitnehmen, Joanna. Ich möchte, daß wir zwei allein fahren, ohne die Kinder. Ich werde dir zeigen, wo ich aufgewachsen bin. Du mußt auch einmal die Städte dort sehen, die Menschen und die einsamen Farmen. Du mußt es sehen, ehe es alles für immer verschwindet.«
    Aber wann sollten sie die Zeit zu einer solchen Reise finden, bei der sie bestimmt einige Wochen unterwegs wären? Wie es aussah, wurde Hugh immer, Tag für Tag, Jahr um Jahr, auf Merinda gebraucht und sie nicht minder. Und nun wollten sie endlich das große Haus am Fluß bauen …
    Es hatte einige Jahre gedauert, die finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden, denn das Unwetter hatte Menschenleben gekostet und die Herden dezimiert. Als Joannas Erbschaft schließlich aus Indien eintraf, ging es ihnen bereits wieder so gut, daß Joanna das Geld für Lisas Zukunft beiseite legen konnte, denn sie waren sich einig, daß Adam einmal die Farm erben

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