Traumzeit
mitgeteilt.
»Sie denken alle, wir sind nicht ganz richtig im Kopf. Sie wollen nichts von der Traumzeit oder von Traumpfaden hören. Und um dir die Wahrheit zu sagen, Joanna, ich bin mir auch nicht mehr so sicher. Aber ich werde das Haus bauen, das verspreche ich dir!«
»Ohne einen Architekten? Es scheint nur sehr wenige fähige und gute Männer zu geben. Man hat den Eindruck, sie bauen alle Mietshäuser in Melbourne.«
Hugh lächelte und griff in die Tasche. »Ich habe eine gute Nachricht«, er zog einen braunen Briefumschlag hervor. »Das ist heute mit der Post gekommen, während du auf der Drummond Farm gewesen bist. Der Brief ist von McNeal.«
»
Philip
McNeal?« Joanna nahm das Schreiben heraus. Dann rief sie: »Oh, Hugh! Er schreibt, er kommt nach Melbourne zur Weltausstellung! Er sagt, er will auch Merinda besuchen!«
»Ich werde ihn bitten, eine Weile zu bleiben und das Haus zu bauen. Schließlich stammen die Fundamente von ihm.«
Joanna winkte Sarah. »Komm schnell, eine gute Nachricht!«
Als Sarah den Brief las, strahlte sie. »Philip kommt zurück. Ich wußte, er würde kommen.« Sie las weiter. »Er sagt, seine Frau und sein Sohn begleiten ihn.« Sarah hob den Kopf und sagte zu Joanna: »Er ist verheiratet …« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Wie seine Frau wohl sein mag? Er schreibt nichts über sie, nicht einmal ihren Namen. Er sagt nur, seine Frau und sein Sohn werden ihn begleiten.«
Sarah blickte auf den silbernen Armreif mit den Türkisen. Sie erinnerte sich noch sehr gut an den Tag, als Philip ihn ihr geschenkt hatte. Damals war sie fünfzehn und hoffnungslos in ihn verliebt gewesen. Immer wieder hatte sie an ihn gedacht und sich gefragt, was er tat, und wo er wohl sein mochte. Jetzt lächelte sie. Es wird schön sein, ihn wiederzusehen, dachte Sarah.
»Wir gehen besser zurück, wir haben noch viel für die Fahrt morgen nach Melbourne vorzubereiten.« Während sie zum Rindenhaus gingen, sagte sie zu Hugh: »Wenn du doch nur mit uns zur Ausstellung gehen könntest …«
»Das wünsche ich mir auch. Aber die ersten Bohrlöcher sind ausgetrocknet und der Fünf-Meilen-Brunnen ist völlig leer. Wir müssen die Schafe über weite Strecken zur Tränke treiben. Aber keine Sorge«, Hugh nahm ihre Hand, »ich komme hier schon zurecht. Du mußt nur dafür sorgen, daß ihr alle viel Spaß auf der Ausstellung habt.«
Lisa rannte voraus und sang: »Wir fahren nach Melbourne! Wir fahren nach Melbourne! Wir fahren nach Melbourne!« Aber wieder einmal trübte der Gedanke an die Alpträume und ihre mögliche unheilvolle Botschaft Joannas Freude.
3
Sie nahmen eine Suite im King George Hotel an der Elizabeth Street. Joanna und Sarah schliefen in einem Zimmer und Lisa und Adam in dem anderen. Am Tag der Ausstellungseröffnung gingen sie direkt in die Halle für Kunst und Architektur. Sie mußten sich durch eine große Menschenmenge zum amerikanischen Stand drängen, aber dort sagte man ihnen, Mr. McNeal sei nach Sydney gefahren und werde erst am Wochenende zurückerwartet.
Die Woche brachte ihnen manches Abenteuer, und es gab viel zu bestaunen. Melbourne war schon sehenswert genug – die laute Stadt mit dem Verkehr und den Gehwegen voller Menschen und die hohen Gebäude –, aber das Ausstellungsgelände mit den vielen Ständen kam ihnen wie ein Märchenreich vor. Dort drängten sich Ausländer in seltsamen Gewändern, und überall hörte man fremde Sprachen. Es gab Gerichte und Lebensmittel aus aller Welt; überall wurde musiziert und gesungen. Und die neugierigen und wissensdurstigen Menschen ließen sich anstecken von den überwältigenden Errungenschaften des neuen wissenschaftlichen Zeitalters. So vieles gab es zu bestaunen: neue Erfindungen, Maschinen und die Geheimnisse des Universums. Erstaunliche Dinge wurden vorgeführt, zum Beispiel junge Männer, die an sogenannten Schreibmaschinen saßen, auf Tasten hämmerten und sofort richtig gedruckte Buchstaben auf das Papier zauberten. Ein Mann in einer karierten Jacke streute Schmutz auf einen nagelneuen Teppich und ließ ihn wie durch ein Wunder wieder verschwinden. Und das Wunder bewirkte eine sogenannte ›Teppichkehrmaschine‹. Aus Amerika kamen auch ein Eisschrank, in dem man Lebensmittel kühlte, und eine noch mehr bestaunte Erfindung, der Staubsauger. Eine Frau in der Kleidung eines Dienstmädchens führte das Gerät vor, und ein kleiner Junge trieb das Gebläse mit den Füßen an. Dann sahen sie die ›elektrische Kerze‹, die ohne
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