Traumzeit
sich an ein junges Ehepaar. Sie hießen Makepeace? John und Naomi Makepeace?«
»Makepeace«, sagte Fielding. »Ach ja, dieser seltsame Pfarrer. Ja, ja, er hat gesagt, er sucht den Garten Eden, nicht wahr? Ich erinnere mich an ihn und seine hübsche Frau. Ich weiß noch, daß ich den Namen sehr merkwürdig fand … Friedensmacher.« Fielding zog die Augenbrauen zusammen. »Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir in diesem Zusammenhang noch etwas Merkwürdiges ein. Als ich ein paar Jahre später wieder in Australien war, habe ich eine ganz unglaubliche Geschichte über sie gehört.«
»Wo war das, Kapitän Fielding? Erinnern Sie sich daran, wo die beiden von Bord gegangen sind?«
Joanna hielt den Atem an.
»Ja«, sagte er und nickte, »wir alle fanden nämlich, es war für ein jungverheiratetes Paar ein hoffnungsloser Platz, um eine Ehe zu beginnen. Gewiß doch, Mrs. Westbrook, ich kann Ihnen genau sagen, wo das war. Ist es sehr wichtig?«
Kapitel Fünfundzwanzig
1
Judd MacGregor hatte erst ein paar Absätze der Hausarbeit gelesen, als er bereits wußte, er würde ›sehr gut‹ an den oberen Rand der Seite schreiben. Aber als er das Blatt umdrehte, um zu sehen, von welchem Schüler die Arbeit stammte, sah er Lisa Westbrooks Unterschrift. Er zögerte und dachte mit gerunzelter Stirn, ihr muß zu Hause jemand bei den Hausarbeiten helfen. Kein Mädchen kann in Biologie so gut sein.
»Mädchen haben einfach nicht die Lernfähigkeit von Jungen«, hatte Judd im Dezember zu Miles Carpenter gesagt, als er erfuhr, daß Lisa Westbrook in die Schule aufgenommen worden war. »Ich versichere Ihnen, Mr. Carpenter, ich werde dem Mädchen keine Minute extra widmen. Sie bekommt dieselben Aufgaben, denselben Anteil der Unterrichtszeit wie die Jungen. Ich werde keine besondere Rücksicht auf sie nehmen. Wenn sie beim Lernen zurückfällt – ich bin sicher, das wird sie –, werde ich empfehlen, sie von der Schule zu entfernen. Und ich sage Ihnen heute schon, Mr. Carpenter, das wird eine Woche nach Schulbeginn sein.«
Aber das Schuljahr hatte vor vier Wochen begonnen, und bis jetzt hielt das Mädchen mit den Jungen mit. Judd mußte sich eingestehen, daß sie in Wirklichkeit sogar besser war als viele der Jungen. Und deshalb glaubte er, jemand müsse ihr bei den Hausaufgaben helfen.
Er hörte Gelächter vor dem Fenster und sah auf dem Rasen vor dem Schulgebäude ein paar Jungen. Sie riefen Lisa Westbrook etwas hinterher, die gerade von Sarah King, einer Eingeborenen und ihre Gouvernante, am Schultor abgeliefert worden war. Judd sah, wie steif das Mädchen sich bewegte, während es versuchte, die höhnischen Bemerkungen zu ignorieren. Judd wußte, die Jungen machen Lisa das Leben schwer, aber er griff nicht ein. Er würde auch nicht eingreifen, wenn sie einen anderen Jungen hänselten. Die Lehrkräfte von Tongarra befaßten sich selten mit den persönlichen Problemen ihrer Schüler. Die Schülerschaft hatte ihren eigenen Verhaltenskodex entwickelt und setzte ihn durch. Und zu den Regeln gehörte, daß ein Schüler – oder in diesem Fall eine Schülerin – Kämpfe selbst ausfocht und nicht zu einem Lehrer rannte.
Judd mußte an seine erste Zeit als Schüler von Tongarra denken. Er war für sein Alter klein gewesen, und die anderen Jungen kannten kein Erbarmen. Sein Vater hatte zu Carpenter gesagt: »Nehmen Sie auf Judd wegen seiner mangelnden Größe keine besondere Rücksichten. Behandeln Sie ihn wie die anderen Jungen. Das wird einen Mann aus ihm machen.« Judd ließ die Prüfungen und Initiationen mit stoischer Haltung über sich ergehen, wie die unausgesprochenen Verhaltensregeln es forderten. Und er ging stark und voll Selbstvertrauen daraus hervor. Er gewann die Bewunderung seiner Peiniger und wurde zu einem der beliebtesten Jungen der Schule.
Eine Stimme drang durch die Morgenluft: »Wir wollen hier keine Mädchen!« rief einer der Jungen hinter Lisa her. Und Judd erinnerte sich an seinen Vater, der vor Jahren gesagt hatte: »Du mußt dir mehr Mühe geben, Sohn. Du willst doch nicht, daß alle dich für ein Mädchen halten, oder?«
Judd blickte zum Februarhimmel auf. Es sah aus, als würden die Herbstregen in diesem Jahr früh einsetzen. Er dachte an seinen Vater, der inzwischen fünf Monate weg war. Judd stellte sich vor, wie er in seinem zugigen Schloß zwischen seinen keltischen Altertümern saß, und fragte sich, ob sein Vater glücklich war. Es hätte Judd Genugtuung verschafft zu wissen, ob er auch
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