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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Direktor, war zunächst sehr erstaunt, daß Westbrook auf den Gedanken gekommen war, seine Tochter in eine Jungenschule zu schicken. »Sehr ungewöhnlich«, hatte er gesagt. »Ein Mädchen, das Viehzüchter werden will.« Trotzdem hatte er Hugh und dessen Frau aufgefordert, bei ihm vorzusprechen.
    »Lisa ist intelligent und lernbegierig«, erklärte Westbrook. »Und sie weiß bereits sehr viel über Tiere und den Betrieb einer Schaffarm. Sie wäre ein Gewinn für Ihre Schule.«
    »Aber Tongarra ist ein Internat, Mr. Westbrook«, erklärte Carpenter. »Die Jungen wohnen hier und schlafen in Schlafsälen. Sie sehen sicher die großen Schwierigkeiten, die durch die Aufnahme eines Mädchens entstehen würden.«
    Westbrook brachte sie alle in Verlegenheit, indem er sagte: »Merinda ist nur ein paar Meilen entfernt. Lisa könnte als Tagesschülerin morgens kommen und abends nach Hause gehen.«
    Carpenter schlug einen anderen Kurs ein. »Zu unserem Lehrplan gehören harte körperliche Arbeiten. Wir haben nicht nur Unterricht im Klassenzimmer, wir lehren auch Sattlerei, das Beschlagen von Pferden, Feldarbeit und sogar das Brennen von Rindern – also Arbeiten, die für eine junge Dame höchst ungeeignet sind.«
    Westbrook sagte daraufhin lakonisch: »Meine Tochter kann das alles lernen«, und Mr. Carpenter und Mr. McIntyre fanden offenbar keine Gegenargumente mehr. Judd entging nicht, daß sie sich in einer schwachen Position befanden und sagte: »Mr. Westbrook übersieht das Wichtigste: Sein Vorschlag verstößt gegen die Regeln der Schicklichkeit. Seine Tochter würde die Jungen nur ablenken. Ihre Anwesenheit wäre dem Lernen hinderlich. Als Lehrer wäre es für mich ganz bestimmt schwierig, sie im Unterricht zu haben.«
    An diesem Punkt zog Westbrook sein Scheckbuch. »Ich bin zu einer großzügigen Spende für die Schule bereit.«
    »Es hat nichts mit Geld zu tun, Mr. Westbrook«, sagte Judd schnell, denn er hatte den Blick gesehen, den Carpenter seinem Stellvertreter zuwarf. »Es ist eine Frage der Ehre. Wir müssen an den Ruf der Schule denken. Tongarra ist für sein hohes Niveau und hervorragende Leistungen bekannt. Wir sind eine der besten Lehranstalten in den Kolonien. Die Aufnahme eines Mädchens würde unserem Ruf schaden, ganz zu schweigen davon, daß es unsere Diplome in Mißkredit brächte.«
    Judd unterlag am Ende. Hugh Westbrook stiftete der Schule eine große Summe, und Lisa durfte mit gewissen Einschränkungen im neuen Schuljahr am Unterricht teilnehmen.
    Als Judd später immer noch protestierte, hatte Carpenter gemeint: »Finden Sie nicht, Mr. McGregor, daß Sie das Ganze etwas zu persönlich nehmen? Schließlich ist die Schule für das Mädchen verantwortlich. Niemand wird Ihnen Vorwürfe machen, wenn es Schwierigkeiten geben sollte.«
    Aber Judd mußte es persönlich nehmen, denn das Thema betraf ihn ganz direkt. Die Aufnahme des Mädchens in die Schule würde die Integrität seiner Grundsätze schwächen, die zum endgültigen Bruch zwischen ihm und seinem Vater geführt hatten.
    Judd trank einen Schluck Champagner und entfernte sich dabei von der Bar und der Unterhaltung der Männer über Politik und Schafe, nickte unbestimmt Minerva Hamilton zu, die ihn anlächelte, und dachte an ein Gespräch, das dem im Zimmer des Direktors um zwei Monate vorausgegangen war. Es hatte im Arbeitszimmer seines Vaters auf Kilmarnock stattgefunden. Damals wußte Judd es nicht, aber es sollte das letzte Mal sein, daß sie miteinander sprachen.
    Er blieb stehen und sah, wie Louisa Hamilton am anderen Ende des Raums plötzlich auf einen Stuhl sank. Ihre Töchter kamen sofort herbeigeeilt. Judd wollte sich nicht ablenken lassen. Er schloß die Augen und hörte sich sagen: »Vater, du kannst nicht im Ernst daran denken, jetzt abzufahren. In zwei Wochen fängt die Schur an!«
    Colin hatte wie ein Besessener alles mögliche in seine Aktenmappe gepackt. Judd sah die Anspannung seines Vaters und die hektischen Bewegungen, mit denen er Akten und Dokumente in die Mappe steckte. Judd entging nicht, was sein Vater mitnahm: Es waren die Besitzurkunden für die alte Burg und den Landbesitz in Schottland. Manche dieser Dokumente stammten noch aus der Zeit von Heinrich  VIII . Zum Schluß schob Colin noch seine Geburtsurkunde, den Reisepaß und eine Schiffsfahrkarte in die Tasche. »Judd«, sagte sein Vater mit zusammengebissenen Zähnen, »Reichtum mag kommen und gehen, Land kann man kaufen und verlieren, Freunde können zu

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