Traumzeit
mischten sich Spuren von Tabak, Wolle und noch etwas. Ihre Reaktion auf diese Intimität überraschte Joanna – sie schlief in seinem Bett und wußte, daß sie die Vorstellung erregte, an der Stelle zu liegen, wo normalerweise Hugh schlief. Ein seltsames, ganz neues Gefühl erfaßte sie, das sie bislang noch nicht kannte oder vielleicht nur flüchtig, wenn sie in den Armen des hübschen jungen Offiziers getanzt hatte.
Joanna versuchte, nicht an Hugh zu denken, nicht an die Falte zwischen den Augenbrauen, die sich vertiefte, wenn er konzentriert über etwas nachdachte, und die ihn noch attraktiver machte. Sie wollte sich auch nicht daran erinnern, wie er unerwartet lachte, oder daran, daß er die Angewohnheit hatte, hin und wieder den Hut vom Kopf zu nehmen und mit den Fingern durch die Haare zu fahren, oder an den Druck seiner Hände, wenn er ihr vom Wagen heruntergeholfen hatte, und an die Begegnung vor dem Haus, als sie mit ihm zusammengestoßen war, und er sie gehalten hatte, damit sie nicht fiel.
Joanna war müde gewesen, aber jetzt war sie plötzlich wieder hellwach. Ihr Körper ließ sich nicht täuschen, und auch ihre Gedanken, die um Hugh kreisten, schienen sich zu verselbständigen, denn sie versuchte, sich auszudenken, wie es wohl sein würde, mit ihm jetzt in diesem Bett zu liegen.
Joanna rief sich energisch zur Ordnung und zwang sich, daran zu denken, daß er bald heiraten würde, und daß sie hierhergekommen war, um Adam zu helfen, sich einzugewöhnen. Sie wollte nur einen Ausgangspunkt für ihre Suche nach Karra Karra haben. Deshalb durfte sie nicht auf diese Weise an Hugh Westbrook denken. Also konzentrierte sich Joanna auf den Grund ihrer Reise: Sie wollte ihr Erbe finden, sie wollte die Schuld ergründen, von der ihre Mutter geglaubt hatte, sie habe etwas mit Karra Karra zu tun, und sie wollte damit das Ende der beklemmenden Träume herbeiführen.
Aber sosehr sie sich auch bemühte, ihre Gedanken auf diese Fragen zu richten, ihre Gefühle und ihr Körper führten sie zu Hugh zurück und zu der Sehnsucht, die sie für ihn empfand.
Kapitel Fünf
1
»Wilma Todd behauptete, daß sie dich besiegen wird, Pauline«, sagte Louisa Hamilton und blickte dabei voll Neid auf Paulines Haare.
Pauline Downs sah im Spiegel ihre Freundin hinter sich und lachte. »Meine liebe Louisa, Wilma Todd hat nicht den Mut, mich herauszufordern.«
Sie saßen in Paulines Schlafzimmer. Louisa beobachtete, wie die Zofe Pauline die Haare frisierte, und griff unwillkürlich an die eigene aufwendige Hochfrisur, als müsse sie sich vergewissern, daß sie sich noch immer dort befand.
Die neueste Mode verlangte, die Haare in einem kunstvollen Knoten hochzustecken, der beachtliche dreißig Zentimeter hoch auf dem Hinterkopf saß. Dadurch neigte sich der Hut entsprechend gewagt nach vorne und verdeckte beinahe die Augenbrauen. Aber nur wenige Frauen besaßen genügend eigene Haare für diesen Knoten, und die anderen mußten ihre
Chignons
mit versteckten Haarteilen und Einlagen polstern. Louisa Hamilton gehörte zu den Glücklichen, die einen reichen und großzügigen Mann besaßen. Sie konnte sich ein Haarteil aus Echthaar leisten. Der vertrauenswürdige Händler hatte ihr versichert, daß die Haare »nicht vom Kopf einer Sterbenden oder einer anderen verarmten Straßendirne stammen, wie es meistens der Fall ist, sondern von einer jungen Novizin, die sich bei ihrem Eintritt in ein katholisches Kloster die Haare abschneiden ließ«. Louisas Hochfrisur machte sie stolz und war ihre ganze Freude. Die Freude war jedoch von kurzer Dauer, denn als sie Paulines lange, platinblonde Locken sah, die wie Seidenbänder durch Elsies Hände glitten, mußte Louisa sich neidvoll eingestehen, daß eine so attraktive Frau wie Pauline mit
eigenen
hellblonden Haaren die bewundernden Blicke auf sich zog.
Louisa spürte den zweiten Anflug von Neid, als Elsie ihrer Herrin aus dem
Peignoir
half und in die Reifen, die Tournüre und Petticoats, die ihrem Kleid den richtigen Sitz gaben. Louisa erinnerte sich, daß ihre eigene Taille einmal ebenso schlank gewesen war. Sieben Ehejahre und sechs Kinder hatten das geändert. Als kaum Fünfundzwanzigjährige war sie matronenhaft dick und mußte zu besonders eng geschnürten Korsagen und gelegentlich auch zu Morphium greifen, um so etwas wie eine Taille zu erreichen, beziehungsweise vorzutäuschen.
Während Elsie ihrer Herrin die vielen kleinen Knöpfe am Rücken des taubengrauen Seidenkleides zuknöpfte,
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