Traumzeit
der blauen Brosche passen, die Sie öfter tragen.«
Die Ohrringe waren wunderschön und würden ausgezeichnet zu der Brosche passen.
»Vielen Dank«, sagte Joanna, »sie sind wirklich schön.« Joanna war sich seiner Nähe bewußt. Sie wollte ihn umarmen und küssen. Sie wollte ihm sagen, daß sie noch nie ein so schönes Geschenk bekommen hatte, und sie wollte ihm sagen, daß sie ihn liebte.
»Tragen Sie die Ohrringe morgen«, sagte er.
Joanna blickte auf das Kästchen in ihren mehlbestäubten Händen und dachte: Sie sind nicht dazu gedacht, für Dr. Ramsey getragen zu werden oder für einen anderen Mann, sondern nur für ihn …
»Ich habe auch ein Geschenk für Sie«, sagte sie, eilte ins Haus und kam mit einem verschnürten Päckchen in braunem Packpapier zurück. Hugh staunte, als er es öffnete.
»Das ist für Ihre Gedichte«, sagte Joanna.
Hugh fuhr mit der Hand über den kostbaren Ledereinband mit der in Gold geprägten Aufschrift:
Tagebuch.
Als er es aufschlug, sah er leere, weiße Seiten, die darauf warteten, gefüllt zu werden.
»Wie schön«, murmelte er und dachte an die Ballade, die er auf dem Ritt nach Melbourne begonnen hatte:
Der Weg ist lang, die Bäche trocken;
Steine schneiden nackte, rote Füße;
Unter dem drückenden bleiernen Himmel
der Dunst gnadenloser Hitze …
Er hatte die Ballade auf der Rückseite einer Quittung geschrieben. Er würde sie in das Buch übertragen.
»Also«, sagte er, »frohe Weihnachten, Joanna.« Er wollte sagen: David Ramsey liebt dich. Er möchte dich heiraten …
Und er staunte über die stürmische Woge des Verlangens, die in ihm aufstieg.
Während der letzten beiden Wochen hatte er sie nicht vergessen können. Joanna war in seinen stillen Gedanken unterwegs auf der Straße aufgetaucht. Er sah sie als eine unfaßliche Gestalt, halb Mädchen, halb Frau. Er konnte sie nicht festlegen, sein Bild von ihr änderte sich von Sekunde zu Sekunde, und immer wieder entzog sie sich ihm. Aber jetzt stand sie da und füllte die Konturen, die er sich in Gedanken von ihr gemacht hatte. Und plötzlich stiegen Worte in ihm auf:
»Sie kam über das große Meer/in dieses goldene Land …«
»Ich mache mich jetzt auf den Weg«, sagte er und dachte: Pauline wird sich Gedanken machen, weil ich so spät bin. »Ach übrigens, übermorgen wird wahrscheinlich ein Mr. McNeil hier ankommen. Er ist der Architekt, der das neue Haus bauen wird. Die Arbeiten sollen am Neujahrstag beginnen. Das Haus müßte dann rechtzeitig zur Hochzeit fertig sein.«
Ja, dachte Joanna, die Hochzeit, das neue Haus, Pauline …
»Mr. Westbrook, bevor Sie gehen, möchte ich mit Ihnen noch über etwas sprechen.«
Er war überrascht von dem plötzlichen ernsten Ton. »Worum geht es?«
Sie spürte ihr Herz heftig schlagen. »Mr. Westbrook, ich denke daran, Merinda zu verlassen. Ich glaube, ich sollte gehen.«
Er starrte sie an. »Was reden Sie da? Was soll das heißen, Sie wollen gehen?«
»Ich habe gehört, daß Sie erst vor einer Weile in den Hof geritten sind. Ich vermute, Sie haben noch nicht mit Bill Lovell gesprochen. Mr. Westbrook, während Ihrer Abwesenheit sind die restlichen Ihrer eingeborenen Arbeiter davongelaufen. Der Grund dafür bin ich, nicht wahr?«
Er schüttelte ärgerlich den Kopf. »Warum sagen Sie das?«
»Sarah hat mir berichtet, daß Ezekial den Arbeitern sagt, ich bringe Merinda Unglück, und es werde etwas Schreckliches geschehen, wenn ich bleibe. An dem Tag, als Sie nach Melbourne geritten sind, habe ich Ezekial unten am See getroffen.« Joanna schilderte kurz, was geschehen war.
»Ich habe Ezekial ausdrücklich angewiesen, sich von Ihnen fernzuhalten.«
»Ihn trifft keine Schuld, Mr. Westbrook. Sie dürfen nicht böse auf ihn sein, weil er seinem Glauben folgt. Sein Volk war vor den Weißen hier. Er versucht nur, etwas zu verteidigen, das für ihn wichtig ist. Das gehört auch zu den Gründen, aus denen ich nach Australien gekommen bin. Ich möchte die alte Lebensweise der Ureinwohner kennenlernen, die früher hier üblich war, denn sie hat Einfluß auf meine Familie, Einfluß auf
mich.
Und ein anderer Grund ist das, was Ezekial in mir sieht. Ich kann es nicht einfach beiseite schieben. Ich muß herausfinden, wie ich es verstehen und wie ich damit leben kann. Ich möchte nicht gehen, aber ich glaube, wenn ich bleibe, wird es nur noch mehr Schwierigkeiten geben.«
»Sie glauben doch den Unsinn nicht, den er in die Welt setzt? Sie glauben doch nicht an
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