Traumzeit
Dinge wie bösen Zauber?«
»Es kommt nicht darauf an, was ich glaube, sondern darauf, was Ezekial glaubt. Und er hat die Männer, die für Sie arbeiten, soweit gebracht, daß sie es ebenfalls glauben. Wenn ich gehe, kommen sie zurück …«
»Nein«, sagte Hugh, »Sie gehen nicht. Ich werde nicht zulassen, daß der alte Teufel mir vorschreibt, wie ich meine Farm führe.«
»Aber die Arbeiter …«
»Ich stelle neue ein.« Plötzlich faßte er sie an den Schultern. »Miss Drury«, sagte er, »Joanna, lassen Sie sich von Ezekial keine Angst einjagen. Er wird Ihnen nichts tun. Er ist im Grunde harmlos …«
»Aber es ist nicht nur Ezekial«, erwiderte Joanna. »Bei meiner Ankunft im Hafen kam ein junger Aborigine an Bord, um das Gepäck zu tragen. Sie hätten seinen Blick sehen sollen. Ich glaube, er hatte Angst vor mir. Und ich hatte einen Traum, einen Alptraum über Sie … über uns … Alles war so wirklich, und ich kann ihn nicht vergessen … Ich habe Angst und glaube, es wird etwas Schreckliches geschehen. Hugh«, sagte sie leise, »ich habe Angst. Ich habe Angst um Merinda, um Sie, um Adam und um mich. Es gibt eine andere Welt, die wir nicht sehen können, aber ich fange an, sie wahrzunehmen. Meiner Mutter ist es ebenso ergangen. Sie hat viele tausend Meilen von hier entfernt gelebt, aber sie glaubte, daß die Wurzeln dieser Kräfte hier liegen, irgendwo hier in Australien. Die Aborigines glauben an übernatürliche Kräfte. Sie glauben an Gift-Gesänge und an Magie. Wie können wir uns anmaßen zu behaupten, sie irren sich? Wie können wir es besser wissen?«
»Ich werde Sie nicht einfach gehen lassen, Joanna. Außerdem, wo wollen Sie hin?« Er drückte ihre Schultern fester und zog sie dichter an sich. »Sie müssen bleiben, Joanna. Sagen Sie, daß Sie bleiben!«
Sie hörten plötzlich Schritte. Ein Mann rannte über den Hof. Es war Matthew, einer der Stallburschen. Er lief die Verandastufen hinauf und rief atemlos: »Mr. Westbrook! Kommen Sie schnell! Mr. Lovell ist krank.«
Hugh folgte ihm über den Hof. Joanna holte ihre Arzttasche und eilte ihnen hinterher. In der Unterkunft des Vormanns fanden sie Bill im Bett.
»Wie lange hat er das schon?« fragte Hugh.
Matthew sah ihn mit großen, dunklen Augen an. »Weiß nicht, Mr. Westbrook. Wir haben ihn ein paar Tage nicht gesehen. Wir haben uns nichts dabei gedacht und geglaubt, er ist über Weihnachten weg, um jemanden zu besuchen.«
»Bill?« sagte Hugh, »kannst du mich hören?«
»Hugh …«, stieß er stöhnend hervor, »Hugh, es ist nur eine Sommererkältung.«
»Darf ich?« sagte Joanna. Sie setzte sich auf den Bettrand und betrachtete aufmerksam Lovells Gesicht. Dann legte sie ihm die Hand auf die Stirn und fühlte den Puls am Hals.
Bill schlug mühsam die Augen auf. »Guten Tag, Miss Drury«, sagte er schleppend.
»Haben Sie Schmerzen?« fragte sie.
»Ja … im Bauch.«
»Wann hat es angefangen?«
»Ungefähr vor einer Woche … mit Kopfweh und Halsschmerzen …«
»Warum haben Sie niemandem etwas gesagt?«
Er lächelte schwach. »Ich dachte, es würde wieder weggehen.«
»Bleiben Sie ruhig liegen. Wir werden Sie pflegen.«
Sie gingen nach draußen. »Er hat Buschfieber«, sagte Hugh. »Ich habe schon lange keinen Fall mehr gesehen, aber ich kenne die Symptome.«
»Ich weiß nicht so recht«, antwortete Joanna. »Ich versuche, mich an etwas zu erinnern … aber ich weiß nicht, woran. Normalerweise hat man bei Fieber einen erhöhten Puls. Aber bei Mr. Lovell schlägt das Herz erstaunlich langsam. Wenn ich mich doch nur erinnern könnte …« Dann sagte sie: »Ich weiß ganz genau, in Mutters Tagebuch steht etwas darüber.«
Sie lief zum Haus und kam kurz darauf wieder zurück. »Ich war damals noch sehr jung«, sie blätterte in den Seiten. »In der Garnison, wo mein Vater stationiert war, brach eine Art Epidemie aus. Meine Mutter hat darüber geschrieben und auf den erstaunlich langsamen Pulsschlag hingewiesen … Hier ist es.« Joanna las einen Augenblick, dann reichte sie Hugh das Tagebuch.
»Mr. Lovell hat die klassischen Symptome«, sagte Joanna, während Hugh Lady Emilys Bericht über die Epidemie las. »Diese Symptome treten bei anderen Krankheiten nicht auf.«
»Typhus«, sagte Hugh und schloß das Buch. Er wandte sich an den Stallburschen: »Nimm dir ein Pferd. Du mußt Dr. Ramsey finden. Sag ihm, es ist dringend. Wenn er nicht zu Hause ist, versuchst du es auf Strathfield. Er ist bestimmt auf dem
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