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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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er wäre ein glücklicher Mensch.
    Mein Helfer-Syndrom blühte wie ein Herpes, an dem ich gottlob im Augenblick nicht laborierte.
    So schlitzte ich den Karton ‹Tierbücher› auf und suchte die wahre Literatur. Die Liste war nicht stattlich, aber exklusiv –
    Clarence, der einäugige Löwe von Susan Pleasance. Monographie .
    Ist der Löwe der König der Tiere? Aufsatz der Zeitschrift Der kleine Tierfreund .
    Heft Nummer drei war ein Hit, von dem ich mich ungern trennte –
    Zur Ontologie der Körperlichkeit des Löwen (der Verfasser hieß Dybnik, ein versoffener Skandinavier, der noch niemals seine Kneipe verlassen hatte).
    Lohmantel – Als mich ein Löwe zerriss . Eine Nahtod-Erfahrung . Ich hatte nur die erste Auflage, die zweite hatte einen besseren Titel – Zerfleischt von Löwen, Nahtod-Erfahrungen.
    Ich legte noch dazu –
    Rollige Katzen, heiße Kater – was tun – von einer Rachel Herman, Verlag Methuen mit Balz- und Kopulations-Illustrationen in Wort und Bild – ‹hier beißt Haderer (Kater) das Weibchen (Sibylle, Burma-Zucht) in den Nacken (Vorbiss, siehe auch Seite 213)›.
    Die Ausbeute an nützlichen Schriften für den Südpolforscher war weniger ergiebig, als ich gehofft hatte. Die Lektüre sollte ja keine aleatorische Auswahl sein, sie musste zu seinen Träumen im Klepperzelt passen und irgendwie helfen oder zerstreuen. Literatur kann unter Umständen durchaus hilfreich sein, gerade in stürmischen Zeiten an einem Südpol. Siebzig Prozent aller Leser, sagte mir einmal Regler (ein Schüler von Leo Spitzer), suchten in der Literatur Lebenshilfe und Identifikationsangebote nach simplen Modellen, brauchbaren Sinnofferten, die man mühelos absahnen und auf die eigene Existenz beziehen kann.
    Als Regler die Literatur satthatte, sattelte er auf Phytotherapie um und hatte enorme Erfolge mit Korallen-Kalzium-Schaum gegen die Volkskrankheit ‹Übersäuerung›, eine Erfindung aus den Siebzigern.
    Stieger, Melancholie, Diätetik und Trost .
    Iris, die Polarfüchsin von Georg Emmett Katzenberger.
    Der Tagtraum . Eine phänomenologische und experimentelle Studie.
    Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis .
    Zu diesem Paket legte ich einen kleinen Brief –
Lieber, verehrter Scott,
Ich schreibe Ihnen vom Nordpol, von Zelt zu Zelt.
Wir haben gerade einen Südost-Sturm; hoffentlich halten die Heringe und die Taue. Wir machen uns letzte Gedanken, was unser Schicksal betrifft, es ist schlimm, aber wir haben Usa, ein entzückendes, etwas speckiges Mädchen von der Bäreninsel, südlich von Spitzbergen. Sie hat schwarzes Haar, erfreuliche Formen, ist lieb und wärmt uns alle. Wer wen wärmt, wird am Abend ausgelost. Hatte kein Glück – mein Streichholz war zu kurz, die Nächte ohne Usa sind lang. Sie riecht nach Tran, aber ihre Umarmungen übertreffen in jeder Hinsicht Blizzards, Hurrikans, Tornados und Orkane – oder wie die anderen harmlosen Wetterlagen heißen. Viel Konkurrenz habe ich nicht mehr – unser Dr. Munz – (Psychologe und Beobachter) erstickte an einem Knochenknorpel von Wammler, unserem verdienstvollen Meteorologen aus Wien, der jedes Wetter analysierte, bis es dann doch immer ganz anders eintrat – ach ja, die Irrtümer zwischen Prognose, Diagnose und Finale, während die Nornen ihre Fingerspitzen benetzen; wem sage ich das.
Schubel lebt noch, sehr dürr, ein beseeltes Gerippe, seines Zeichens Geometer – er irrte sich nie bei Entfernungen, die zweieinhalb Kilometer auseinanderlagen, ein Genie. Leider ist sein Geist verwirrt – zu viele Kristalle? Zuviel Usa? Zuviel Kälte, wer weiß –? Er zitierte noch den letzen Satz unseres Spenders Munz, bevor ihn Usas Walrossmesser traf – ‹Alle Menschen sind Arschlöcher, und man kann sie nicht therapieren›.
So ein Satz passt natürlich zu der Gesamtsituation, auch in Ihrem berühmten Zelt. Wir sind nicht mehr zu retten.
Der letzte Gaskocher fiel aus; nun ist auch die letzte Chance auf Humanbrühe auf kleiner Flamme dahin. Es war immer so heimelig im Zelt. Draußen tobte (weste, rumorte, heulte oder machte) der Sturm das Seine, drinnen die trauliche Petroleum-Lampe, in den Töpfen brodelten noch vor acht Tagen – ach, ich möchte diese traurigen Details nicht durch eine metaphysische Betrachtung trüben –, während jetzt, Pardon, später, sagt Usa, die Eisbären einfallen werden.
Munz sagte, hier kämen keine vor, aber hat sich immer geirrt. Dieser Ort, nehme ich an, ist der Eisbären Paradies.
Immerhin sind Eisbären keine Löwen, das hat

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