Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Kommunikation versus Loebschen Tropismus, gelangen ja selten oder nur mit Schweinen und Hunden – vor dem Leonberger Siegfried hatte ich in den 20 Jahren, wenn Sie sich erinnern, 30 Hunde aller Mischungen –, aber Hunde sterben schnell, und ihr begrenztes Leben dauert mich bis zu Tränen. Die Schildkröten freilich, die werden uns alle überleben, der alte Melmoth und die kleine, noch junge Yvette. Seit dem Tod von Jenkins denke ich jeden Tag an meinen Abgang, an die große Reise, den ewigen Winterschlaf.
Organisch ist alles bei mir halbwegs im Lot, von ein paar kleinen Funktionsstörungen abgesehen. Leider habe ich mit der Religion nichts am Hut, nach dem Tod kommt gar nichts, nur Leere, noch nicht einmal gefüllt mit Brackwasser wie in Ihrem Loch. Pardon, ich rühre da an sogenannte Letzte Dinge und weiß gar nicht, ob Sie dazu aufgelegt sind. Bin aber froh, dass wir einmal eine kleine Aussprache haben. Der Leerlauf des Tagesbetriebs bietet so selten Gelegenheit. Glauben Sie an Gott?
Freilich denn wohl, sagte der tapfere Baron, ER hat mich noch nie im Stich gelassen – ER führte mich vor 20 Jahren in Ihr gastliches Haus … in dieses verfallende Riesenkloster –; und ich schlafe gern in den alten, nunmehr hübsch tapezierten Ställen, selbst mit den Schneehühnern habe ich mich fast abgefunden; ein Gast darf nicht klagen.
Oha, sagte ich, Sie sind schon 20 Jahre hier? Wissen Sie was – wir leben derart in der Sicherheit dieser Mauern, dass ich gar nicht exakt weiß, ob wir noch eine Monarchie haben. Regiert der oligophrene Eduard, oder ist es ein Georg? – Ich habe keine Ahnung. Ist mir auch egal.
Weiß nicht mehr, ob meine Unterhaltung mit dem Baron exakt so gewesen ist, denke aber schon. Erinnere ich mich recht, holte Siegfried, der Leonberger, einen der Tozzi-Brüder, oder sie liefen sich durch Zufall über den Weg; jedenfalls wurde der Baron aus seinem Sumpfloch befreit und laborierte eine Woche lang an einer Erkältung; aber an jenem Abend erschien auf der pauvren Singram-Tafel Moorhuhn, dem Baron zu Ehren nach einem echt baltischen Rezept … mit Gerstengrütze.
Während seiner Rekonvaleszenz sperrte ich den Gast in die Bibliothek und bat ihn – nach meinen Notizen – die Totenrede auf Jenkins zu schreiben.
52 Es schneite stark am Tag der Trauer für Jenkins; gegen Schnee ist nichts einzuwenden, wenn er schon mal fällt. Macht alles irgendwie feierlicher. In der Kapelle war’s eiskalt. Saß eine halbe Stunde früher in meiner Bank und gedachte der Riten, die der Baron Obsequien nannte, ein hochtrabender Ausdruck für den formlosen, aber würdigen Abschied von meinem Pavian. Also nichts Christliches, das hoffte ich.
Hatte im Vorfeld (ca. 11 Uhr) noch eine lästige Unterhaltung mit dem Reverend Treeball, der ein Faible für Bestattungen hat, egal, ob’s Tiere oder Menschen sind; er liebte als dienender Stellvertreter die ganze Bagage, so sie tot war; im täglichen Umgang war er ein Stinkstiefel und Suffloch.
Da hockte ich nun und hing edlen Gedanken nach an Tod und Verwesung, Würmer und Leichenwasser (soll bei bestimmten Böden das Grundwasser verseuchen), als der Pfarrer seine gichtige linke Hand auf meine Schulter legte. Hatte meinen Zobel übergezogen, räudig, aber warm.
Sir, sagte er mit hoher Fistelstimme, ich bin’s, Treeball.
Macht nichts, sagte ich, fängt gleich an, Sie können sich setzen. Ich hoffte auf leichte Zerstreuung vom Kummer (habe alles wortwörtlich ins Diary übertragen, diese Unterhaltung wie auch die Rede von Strehlow – wenn ich mich recht erinnere, nach dem Leichenschmaus).
Hochwürden war schon senil, litt an einem erbärmlichen Mundgeruch so zwischen Grab und alten Plomben.
Der Herr, sagte er, er gibt, und er nimmt, ja, das macht er wohl.
Stimmte zu.
Die Bienen, die Vögel, der Schnee, fuhr er fort, alles geworfen von Gott.
Kann man so sehen, sagte ich.
Sie begraben heute einen alten Gefährten, Sir?
Kann man so sagen, erwiderte ich und versteckte meine Nase im Pelzkragen.
Wer, Sir, fragte Hochwürden, war’s, wenn ich fragen darf, weil ich ungeladen kam – ich weiß es sohin nicht.
Mein Butler, sagte ich, Jenkins.
Ein dienstbarer Geist, Sir, sagte Treeball, sieh an, also ein Verlust.
So ist es, sagte ich.
Wie lange stand er in Ihren Diensten?, fragte Treeball.
Dreizehn Jahre, sagte ich, er wurde nicht sehr alt.
Treue Dienste verzehren, sagte der Greis.
Das kam wohl hin.
Treeball scherte sich nicht um meine Einsilbigkeit.
Lady Fowser, sagte er, Grafschaft
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